Einwirkungen der Grafschaft Nassau-Saarbrücken auf Dirmingen
„Dirmingen, allein nassauisch, liegt in einem Tal, das Dirminger Tal genannt. Ist eine große Pfarr und liegen die Häuser oder Vogteien etwas zerstreut voneinander. Ein großer Teil des Dorfes wird auch Berschweiler genannt. …“
Historische Niederschrift Andreae GenSaraept Seite 485.
Nachdem sich bereits im 10. Jahrhundert, unter der karolingischen Herrschaft, das „Heilige Römische Reich“ entwickelte, kam es im 15. Jahrhunderts zu der Bezeichnung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“. Dieses Reich war kein Nationalstaat, wie wir es heute kennen, sondern viel mehr ein Land mit vielen selbständigen Fürstentümern. Die Grafschaft Saarbrücken, lag im Südwesten des Reiches und war ein selbständiges Fürstentum des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“. Die damalige Residenzstadt war unsere heutige Landeshauptstadt Saarbrücken. In den Chroniken wurde das Fürstentum Nassau-Weilburg, dass auch als Grafschaft Nassau-Saarbrücken bezeichnet wurde, erstmals im Jahre 1381 erwähnt. Das Gebiet dieses Fürstentums umfasste die späteren Landkreise Saarbrücken und Neunkirchen, außerdem gehörten dazu die Grafschaft Saar-Wehrden und die Herrschaft Lahr in Baden. Das Gebiet des Landkreises Neunkirchen deckt sich heute mehr oder weniger mit dem ehemaligen „Amt Ottweiler“ der Grafschaft Saarbrücken. Im 13. Jahrhundert erlebte die Stadt Ottweiler unter den Grafen von Nassau-Saarbrücken eine wahre Blütenzeit. Im Jahre 1545 teilten sich die beiden Söhne des verstorbenen Grafen die Macht, der eine erhielt, Saarbrücken und Ottweiler, der andere Saarwerden und Lahr. Beide Grafen starben ohne Nachkommen, womit die ältere Linie Nassau-Saarbrücken ausstarb. Beide Grafschaften fielen an das evangelische Haus Nassau-Weilburg, das in Saarbrücken offiziell die Reformation einführte. In Saarbrücken regierte bis zum 1574 Graf Johann IV. Der Herrscher über das Reich zögert zunächst und wollte sich vor seinem möglichen Anschluss an die Reformation über die Entwicklung dieser neuen Bewegung informieren. Graf Johann III. war folglich der letzte katholische Graf im heutigen Saargebiet. Erst nach seinem Tod wurde von seinen lutherischen Erben und Nachfolgern im Jahre 1575 offiziell das Augsburger Bekenntnis eingeführt. Bereits zum 1. Januar 1575 führte Graf Philipp III. in seinem Herrschaftsbereich die Reformation ein. Katholische Priester wurden aus ihrem Amt entfernt oder mussten die neue Lehre annehmen. Philipp erließ hierfür eine umfangreiche Kirchenordnung.
Nach dem Tod Johanns III. von Nassau-Saarbrücken fielen im Jahr 1574 die Grafschaften Saarbrücken, Saarwerden mit Ottweiler und Homburg an die Brüder Albrecht und Philipp von Nassau-Weilburg. Graf Philipp erhielt Saarbrücken und Saarwerden. Graf Albrecht erhielt Ottweiler, die Ämter Homburg, Kirchheim und die saarwerdischen Herrschaften Lahr und Mahlberg im Schwarzwald. Graf Albrecht ließ in Ottweiler ein neues Schloss erbauen, dieses wurde im Jahre 1575 sein Hauptsitz. Genau wie sein Vater Philipp III. von Nassau-Weilburg war Albrecht ein Befürworter der Reformation. Unter dem Grafen Albrecht, wurde in der Herrschaft Ottweiler, zu der auch Dirmingen gehörte, die Reformation eingeführt. Albrecht wurde schon als Kind im evangelischen Glauben erzogen. Zu seinen einschneidendsten Erlebnissen gehörte die Bekanntschaft zu dem berühmten Reformatoren Philipp Melanchton. In Ottweiler unternahmen Albrecht und Lorenz Stephani Maßnahmen, um die Reformation schneller durchzusetzen. Katholische Priester wurden aus dem Amt entfernt oder auf die neue Lehre verpflichtet. Genauso muss es sich auch in Dirmingen zugetragen haben. Der damalige katholische Pfarrer Jakob Venn (von der Fenn genannt) blieb seinem katholischen Glauben treu und musste umgehend das Land verlassen.
In unserem Heimatort Dirmingen, dass im Zentrum der Grafschaft lag, zog die Reformation im Jahre 1575 weitreichende Veränderungen mit sich. Eine Kirchenordnung, die bereits im Jahr 1574 erlassen wurde, diente als Grundlage des kirchlichen Lebens in Saarbrücken und Ottweiler. Die herausragendste Gestalt der Reformation an der Saar war Superintendent Laurentius Stephani, der bei Philipp Melanchthon in Wittenberg studiert hatte.
Nördlich von Dirmingen, in der Nähe des Naherholungszentrum Finkenrech, befinden sich in einer Grenzlinie noch einige Grenzsteine des Fürstentum Nassau-Saarbrücken. In die Grenzsteine eingemeißelt befindet sich die “Wolfsangel”, die auch im Wappen der Gemeinde Eppelborn, sowie im Wappen von Dirmingen vorkommt. “NS” auf den Grenzsteinen steht für Nassau-Saarbrücken. Aber auch das damalige Familienwappen der Fürsten, mit darunter befindlicher Jahreszahl “1767”, sind in den Grenzsteinen dargestellt. Diese Grenzsteine haben Krieg und Zerstörung überstanden und sind bis heute schweigende Zeitzeugen der Geschichte unseres Heimatortes und natürlich derer von Nassau-Saarbrücken. Über viele Jahrhunderte hinweg verschoben sich immer wieder die Grenzen mitteleuropäischer Fürstentümer. Ganz oft wechselten sogar ganze Gebiete und Regionen ihre Herrschaft. Die Grenzsteine dienten dazu die eigenen Gebiete von den Nachbarn abzugrenzen. Ortsfremde erkannten sofort auf welchem Terrain sie sich gerade befanden. Bereits im Jahre 1738 wurde, im „Frieden von Wien“, dem vertriebenen Polenkönig Stanislaus Lescynski das Herzogtum Lothringen zugesprochen. In diesem Herzogtum befand sich auch unser „Amt Schaumburg“ mit der Baronie Eppelborn und den an Dirmingen grenzenden Dörfern Sotzweiler und Thalexweiler. Als der Polenkönig Lescynski 1766 verstarb, wurde Lothringen zu einer französischen Provinz. Die Grenze zwischen Dirmingen, Eppelborn Thalexweiler und Sotzweiler wurde damit zur Staatsgrenze zwischen dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation und dem Königreich Frankreich. Die historischen Grenzsteine im Dirminger Wald erinnern uns noch heute an die Herrschaftsgrenzen des 18. Jahrhunderts. Im Jahre 1787 wurde das Oberamt Schaumburg, im Zuge einer Grenzregulierung zwischen Pfalz-Zweibrücken und Frankreich, den Pfälzern zugesprochen.
Um das Jahr 1730 wurde das evangelische Pfarrhaus in der Dirminger Ortsmitte erbaut. Die links neben dem Pfarrhaus verlaufende Straße hat ihren Namen „Herrengärten“ wohl in Anlegung an die Herrschaft derer die das spätere Pfarrhaus im Jahre 1736 erbauten und dort lebte. Bereits im Jahre 1684 war die Straße unter dem Namen „Hohlgassen“ in unserem Dorf bekannt. Ihren eigentlichen Namen „Herrengärten“ bekam die Straße jedoch erst viel später. Die damalige Gemeinde Dirmingen hatte sich vor der Namensgebung bestens informiert. In den Chroniken heißt es: „Im Besitz der Herren des Ortes, die in einem Ortsteil zusammenwohnen und als die reichsten Bauern des Ortes gelten. Wahrscheinlich sind dies die ältesten Siedler (Freisassen). Nicht ausgeschlossen ist auch, dass es sich um die Gärten der „Häre“ d.i der Geistlichen handelte“.
Noch heute ranken sich viele Geschichten um das barocke Anwesen. Eine der bekanntesten Erzählungen handelt von der saarländischen Fürstin Katharina Kest, die im Volksmund auch „Gänsegretel“ genannt wurde. Die spätere Reichsgräfin von Ottweiler war die Ehefrau des Fürsten Ludwig von Nassau-Saarbrücken. Die Mutter der Fürstin, eine gewisse Barbara Wohlfahrt, wohnte in Dirmingen und soll Magd am ehemaligen Jagdschloss in Dirmingen gewesen sein. Aus den Chroniken geht hervor, dass das Ehepaar Johann Christoph Wohlfahrt, aus Ruppertsdorf, und Anna Gertrud Wagner aus Dirmingen eine Tochter bekamen. Diese Tochter wurde Anna Barbara Wohlfahrt genannt. Der historischen Quelle zufolge diente Anna Barbara Wohlfahrt als Magd in dem früheren Jagdschloss der Gesellschaft von Nassau-Saarbrücken. Dort lernte Sie irgendwann ihren späteren Ehemann Johann Georg Kest kennen und lieben. Die beiden wurden ein Ehepaar und bekamen eine Tochter: Das „Gänsegretel“. Nachweislich hatte Katharina Kest nicht nur Vorfahren in Dirmingen, sondern wohnte auch eine kurze Zeit in unserem Dorf. Im Jahr 1784 wurde Katharina Reichsgräfin von Ottweiler und 1789 Herzogin von Dillingen. Katharina Kest heiratete im Februar des Jahres 1787 Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken. Das „Gänsegretel“ verstarb im Jahre 1829 in Mannheim.
Als im Jahre 1963 das alte evangelische Gemeindehaus abgebrochen wurde und dem heutigen weichen musste,wurde über der Tür im Kellergeschoss ein Stein mit der Inschrift: “ Von Ihro Durchlaucht…Evangelisch Neu erbaut 1766″ gefunden. Bei dieser Durchlaucht hat es sich um Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau gehandelt. Unter dem Fürsten Wilhelm Heinrich entstand das alte Gemeindehaus, die Stengelkirche und auch das evangelische Pfarrhaus. Der alte Stein aus dem Jahre 1766 wurde beim Bau des neuen evangelischen Gemeindehauses im Eingangsbereich eingebaut.
Wilhelm Heinrich war der vorletzte der in Saarbrücken herrschenden Grafen. Wie kein anderer hat er das Erscheinungsbild der heutigen Landeshauptstadt Saarbrücken geprägt. Obwohl er nach seinem Tot einen großen Schuldenberg hinterließ gehört bis heute zu den bekanntesten und beliebtesten Grafen. Im Jahre 1768 starb Fürst Wilhelm Heinrich. Erst zwei Jahre später übernahm Fürst Ludwig die Regierungsgeschäfte in Nassau-Saarbrücken. Fürst Ludwig hatte von seinem Vater einen riesigen Schuldenberg übernommen. Schließlich war er dazu gezwungen Ländereien zu verpfänden. Die eigene Hofhaltung in Saarbrücken konnte er nicht mehr aufrechterhalten. In dieser Zeit benutzte der Fürst nachweislich kleineren Jagdschlösser im Saarbrücker Umland als Regierungssitz. Zu diesen gehörten Jägersburg-Neunkirchen, Dudweiler, Karlsbrunn Neuhaus. Vielleicht entstand zu dieser Zeit die Sage, dass der Fürst auch das spätere evangelische Pfarrhaus in Dirmingen nutzte? Letztlich gelang es dem angeschlagenen Fürsten doch einige positive Bauvorhaben und Gesetzesänderungen durchzuführen. Fürst Ludwig schaffte die Folter ab und reformierte die Prozessordnung. Zudem setzte der Fürst zahlreiche Neuordnungen im Schulwesen und in der Land- und Forstwirtschaft durch.
1793 erreichte die Französische Revolution das Saargebiet. Fürst Ludwig, gesundheitlich schwer angeschlagen, floh nach Aschaffenburg. Im Jahre 1794 verstarb der letzte Fürst der Linie Nassau-Saarbücken. Die Französische Revolution, in der Zeit von 1789 bis 1799, veränderte die europäischen Machtverhältnisse. Der Wiener Kongress vom 18. September 1814 bis 9. Juni 1815 legte in Europa die Grenzen neu fest und definierte neue Staaten. Die Fürstentümer wurden aufgelöst, und die ehemalige Grafschaft Nassau-Saarbrücken kam unter preußische Herrschaft.
Bis zum Jahre 1791/92 gehörte Dirmingen der Grafschaft Nassau-Saarbrücken an. Im Oberamt Ottweiler war Dirmingen eine eigene Meierei. Im Zuge einer Verwaltungsreform und Neugliederung wurde das Oberamt Ottweiler in Schultheißereien unterteilt. Das Oberamt Ottweiler schlug am 11. Mai 1791 vor, den gesamten Oberamtsbezirk in vier Schultheißereien zu unterteilen. Diese waren Neunkirchen, Ottweiler, Werschweiler und Uchtelfangen. Der Vorschlag wurde von den Landesherren angenommen und am 11. Juli 1791 verwirklicht. Eine Schultheißerei setzte sich aus mehreren Meiereien zusammen wobei Dirmingen mit der Meierei Dirmingen der Schultheißerei Uchtelfangen zugeordnet wurde. Die Ortschaften Berschweiler, Dirmingen, Hierscheid, Humes, Kaisen, Uchtelfangen, Wiesbach und Wustweiler gehörten nun erstmals in einer großen Schulteißerei zusammen. Die Gründung einer Schultheißerei war letztlich der erste Schritt zu den noch heute vorhandenen Landkreisen.
Fürst Ludwigs Sohn Heinrich Ludwig Karl Albrecht von Nassau-Saarbrücken war folglich der erste nicht mehr regierende Fürst von Nassau-Saarbrücken. Am 6. Oktober 1785 heiratete er Marie Françoise Maximilienne de Montbarrey. Weil diese Ehe kinderlos blieb, fiel der Fürstentitel nach Heinrich Ludwigs Tod an Karl Wilhelm von Nassau-Usingen, einen Cousin seines Vaters. Die Linie derer von Nassau-Saarbrücken war somit beendet. Dirmingen hat der Grafschaft zu Nassau-Saarbrücken einiges zu verdanken. Der barocke Baumeister der Grafschaft Nassau-Saarbrücken Friedrich Joachim Stengel erbaute im Jahre 1746 die evangelische Kirche in Dirmingen. Nachweislich wurde auch das alte evangelische Pfarrhaus von Mitgliedern der Grafschaft Nassau-Saarbrücken als Jagdresidenz genutzt. Was blieb nun am Ende von der jahrhundertelangen Herrschaft derer von Nassau? Letztlich erinnern nur noch die vorhandenen historischen Bauten in unserem Dorf an diese Epoche. Unser Erbe bleibt der Erhalt und die Pflege dieser Bauwerke. Alleine dies wird eine große Aufgabe der wir uns immer wieder auf’s neue Stellen müssen.