Gemeinsame Chancen nutzen – Gelebte Ökumene im „Derminga Dörfche“
Auf dem Land spielen theologische Grundsatzfragen in der Regel eine untergeordnete Rolle: Das tägliche Dorfleben steht im Vordergrund und vereinfacht im Grunde die Ökumene. Der böse Bazillus Covid 19 macht es möglich und öffnet uns allen wieder einmal die Sicht auf das Wesentliche. In den letzten Monaten wurde aufgrund der Pandemie mehr Wert auf ökumenisches Miteinander gelegt. Gemeinsames Solidaritätsläuten, gemeinsame Open-Air Gottesdienste und gemeinsames Beten eröffneten uns allen das Tor zu mehr Miteinander. Ich habe das Gefühl, dass die Corona-Pandemie das Thema Ökumene vorangetrieben hat. Durch die Pandemie erkennen wir die Ökumene wieder als echte Chance. Manchmal braucht es einen Tiefschlag, um sich zu schütteln und wach zu werden. Plötzlich öffnet sich das Tor zu neuen Möglichkeiten. Natürlich wurde in unserem Dorf schon weit vor der Pandemie die Ökumene gepflegt. Ich persönlich habe jedoch den Eindruck gewonnen, dass alles etwas näher zusammenrückt.
Theologische Grundsatzfragen dürfen in einem Dorf unserer Größenordnung keine Rolle spielen. Letztendlich geht es darum, dass die Menschen gut miteinander leben können. Natürlich haben katholische und evangelische Christen im Grundsatz verschiedenen Auffassungen: Das Papsttum, die Abendmahlfrage, das Zölibat, dass alles sind geistliche Fragen, die bei den Menschen auf dem Lande eher im Hintergrund stehen. Vielmehr sollte es aus meiner Sicht darum gehen, wie wir gemeinsam unsere christliche Zukunft gestalten. Wie können wir uns gegenseitig stärken, helfen, heben und unterstützen. Damit verbunden ist am Ende automatisch die Frage: Wie können wir gemeinsam unseren Glauben stärken? Ökumene ist eine Chance und womöglich auch der Schlüssel zu einer guten Zukunft. Was wir nun brauchen ist Mut zur Initiative.
In Zeiten, in denen sich die Menschen immer mehr von der Kirche abwenden, wird es Zeit gemeinsam neue Wege zu gehen. Gemeinsam ohne Neid und Missgunst die Zukunft gestalten. Das ist die Aufgabe unserer Zeit. Das Ganze kann bei der Kinder- und Jugendarbeit beginnen und im gewöhnlichen Gottesdienst oder einer Messe enden. Vieles ist möglich!
In unserem Heimatort wurde im Grunde schon nach dem zweiten Weltkrieg die Basis für eine gesunde ökumenische Gemeinschaft gelegt. Nach der Zerstörung der ersten katholischen Kirche auf den Rothenberg bot der damalige evangelische Pfarrer Engel seinem katholischen Kollegen Pastor Didas an, die evangelische Kirche in der Ortsmitte mit zu benutzen. Fast 5 Jahre wurde in der evangelischen Stengelkirche in Dirmingen das Simultaneum gelebt. Die älteren Bewohner unter uns berichten noch heute von wunderschönen Jahren mit vielen gemeinsame Aktionen. Heute gibt es in Deutschland mehrere Simultankirchen, die von verschiedenen christlichen Konfessionen gemeinsam genutzten werden.
Damit wir uns nicht falsch verstehen und unabsichtlich eine weitere unnötige Debatte aufstoßen: Ich plädiere hier keineswegs dafür eine unserer beiden Kirchen zu schließen! Nein, das ist nicht der Plan. Vielmehr weiß ich sehr wohl, wie viel Kraft und Liebe der katholische Pfarrgemeinderat und das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde in ihre Gemeinden investieren. Solange die Kraft ausreicht, sollten wir für den aktuellen Status Quo kämpfen und versuchen zu halten, erneuern und gestalten.
Was aber kommt danach? Die Geschehnisse im Jahre 1945 haben eindrucksvoll aufgezeigt was in unserem Dorf möglich wäre. Die Zahl der konfessionslosen Menschen ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Wie können wir gemeinsam unseren Glauben schützen und wieder verbreiten? Seit der Reformation ist vieles geschehen. Auf beiden Seiten wurden Menschen getötet, verfolgt und verdammt. Die Kirche hat seit über tausend Jahren viel Blut an ihren Händen. Manchmal muss großes im kleinen Entstehen. In unserem Dorf hat die Ökumene eine echte Chance. Wenn wir alle unsere eigenen Interessen ein wenig hintenanstellen und den Blick auf den anderen richten ist vieles möglich.
In Dirmingen hat die Ökumene eine echte Chance. Die Geschichte unseres Dorfes steht beispielhaft für den konfessionellen Kleinkrieg zwischen Katholiken und Protestanten. An Fronleichnam verrichteten die Protestanten ihre Hofarbeit um die Festlichkeiten der katholischen Kirche zu stören und am Reformationstag revanchierten sich die Katholiken. Über Jahrhunderte war es auf Seiten beider Konfessionen eine Sünde, wenn der Sohn ein Mädchen der anderen Konfession ins Haus brachte. Nachdem sich die Reformation im Jahre 1575 in unserer Heimat durchsetze hatte, gab es in unserem Dorf über viele Jahrzehnte fast nur noch Protestanten. Die wenigen Katholiken mussten über viele Jahre ihre Verstorbenen in Urexweiler beerdigen. Erst gegen Ende des 19.Jahrhunderts vermehrte sich die Zahl der katholischen Bürgerinnen und Bürger. Wir dürfen nicht vergessen, dass die heutige evangelische Stengelkirche bis zur Reformation eine katholische Kirche war.
Heute im Jahre 2020 macht sich Ernüchterung breit. Quo Vadis Kirche, wohin führt der Weg unserer beider Kirchen und was wird morgen sein? Dabei haben beide Konfessionen die gleichen Probleme. Immer weniger Schäfchen, weniger Kirchenbesucher und auch der gemeinsame Glaube erreicht kaum noch die Menschen. Die Ökumene ist eine echte Chance. Macht euch auf den Weg und geht aufeinander zu. Es lohnt sich!
Man stelle sich einmal vor: Unsere gemeinsame Stengelkirche in der Ortsmitte, als gemeinsames Wahrzeichen unseres Dorfes, wird von beiden Konfessionen im Wechsel oder nacheinander genutzt. Die Kinder und Jugendarbeit wird gemeinsam verrichtet. Auf die Kommunion folgt am Nachmittag die Konfirmation. Sonntags treffen sich Seniorinnen und Senioren beider Konfessionen zum Nachmittagskaffee und die beiden Sekretärinnen trinken morgens gemeinsam mit dem Pastor und dem Pfarrer, in den benachbarten Pfarrbüros unter einem Dach, eine schöne Tasse Kaffee. Der neue Pfarrsaal wird gemeinsam genutzt und die Menschen pflegen das Miteinander. Wäre das nicht schön?
Leute entspannt euch: Ich träume ja nur…….
Am Sonntag, 13.September findet um 10:00 Uhr in der katholischen Pfarrkirche St. Wendalinus Dirmingen wieder ein ökumenischer Gottesdienst statt. Wie ich sehe, sind wir auf dem Weg. Herzliche Einladung an alle, es lohnt sich….