„Kindaaf, Kerb un Worschtsupp !“- Wie aus dem eigentlichen Kirchweihfest die „Derminga Kerb“ wurde !

„Wem is die Kerb? Us is die Kerb“! Dieser bekannte Schlachtruf wird ist diesem Jahr nicht ertönen. Die Pandemie legt unser Dorfleben lahm und auch die „Derminga Kerb“ musste aufgrund der vorgegebenen Hygieneverordnung abgesagt werden. Dies schmerzt natürlich nicht nur unsere Dorfgemeinschaft, sondern insbesondere auch unsere Gastronomie und die Schausteller. Das 274. Kirchweihfest muss in Stille ohne buntes Kirmestreiben begangen werden. Dabei wird gerade in Dirmingen die „Kerb“ gerne groß gefeiert. Heute verbindet unsere „Kerb“ moderne Unterhaltungsmetoden mit uralten Traditionen. Dabei beruft sich besonders die Ausgrabung des „Kerwe-Lisjes“ auf ein uraltes Brauchtum. Während anderswo immer mehr Dorfkirmessen aufgrund mäßiger Nachfrage verschwinden, erlebte die „Derminga Kerb“ in den letzten Jahrzehnten sogar einen Aufschwung.

Heit is Kerb un morje is Kerb, bis am Dienschdah Owend, wann ich bei Schätzje komm, sahn ich scheen Genowend.Ei, Genowend, Elisabeth, hinnerm Owe steht es Bett, uffgedeckt, zugedeckt, ei Genaacht, Elisabeth.

historisches „Kerwe-Lied“ aus dem 19. Jahrhundert.

Die „Kerb“ gehört zu unseren ältesten Dorffesten und wird geprägt von uralten Traditionen. Grund genug sich einmal die Entwicklung und die einzelnen Riten der „Kerb“ anzuschauen. Zahlreiche Heimatforscher haben sich bisher mit ihren Dorfkirmessen und ihrem Ursprung beschäftigt. Dabei werden immer wieder die verschiedenen Zeitepochen unter die Lupe genommen. Ganz nebenbei bekommen wir einen Einblick wie die Menschen zu ihrer Zeit die „Kerb“ feierten. Vermutlich wurde schon vor dem Kirchweihfest unserer Stengelkirche, im Jahre 1746, in Dirmingen Kirmes gefeiert. In unseren Quellen befinden sich Hinweise die darauf deuten, dass schon im 17.Jahrhundert unmittelbar nach dem 30-jährigen Krieg, Kirmes gefeiert wurde. Wann und in welcher Form dieses Fest ausgerichtet wurde, ist nicht zu belegen. Alte Verse und Tanzlieder zeigen uns jedoch ganz deutlich das unsere Kerb auf eine lange Geschichte blickt.

Wann Kerb is wann Kerb is, dann schlacht mei Vadder ä Bock, dann wackelt mir, dann wackelt mir mei Rock. Ich hann noch nie ä Rock gehatt, der, wo mr so gewackelt hat.

historisches „Kewer-Lied“ aus dem 19. Jahrhundert

Einige Anekdoten haben sich bis heute gehalten. Anlässlich einer Kirchenvisitation im 18. Jahrhundert wurde das Presbyterium gefragt, ob es denn Säufer in der Gemeinde gäbe. Die Antwort des Pfarrers lautete: „Nicht das ich wüsste. Dafür hat in diesen Elenden Zeiten der Herrgott uns Zaum und Gebiss ins Maul gelegt. Nur an der Kerb saufen Sie sich alle voll“ (Originalzitat * „Gedenket den vorigen Tagen“ -Seite 152), Historisch belegt ist auch die Aussage eines kleinen Jungen. Als jener kleine Bub vom Dorfpfarrer nach den drei höchsten Festen des Jahres gefragt wurde, sagte dieser:“ Ei, Kindaaf, Kerb un Worschtsupp!“

Natürlich hatte die „Kerb“ alleine schon wegen der damit verbunden Kirche einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung. An der „Derminga Kerb“ feiern wir die Kirchweihe der heutigen evangelischen Kirche zu Dirmingen in der Ortsmitte. Fakt ist, die „Derminga Kerb“ ist kein Patronatsfest und hat auch nichts mit dem Patroziniumstag der hiesigen St. Wendalinusgemeinde oder der St.Wendler Wendalinuskirmes zu tun. Bis die Reformation im Jahre 1575 Dirmingen erreichte, wurde die Kirche ausschließlich von Katholiken benutzt. Danach wurde die Kirche den Protestanten zugesprochen. Im Jahre 1742 wurde das Kirchenschiff polizeilich geschlossen. Die Sicherheit der Kirchgänger wurde durch herabfallende Steine gefährdet. Am 27.April des Jahres 1746 wurde der Grundstein für den Neubau der Kirche gelegt. Der Teil des historischen Turmes wurde dabei erhalten. Schon am 06.November 1746, nach einer Bauzeit von nur einem halben Jahr, fand die Kirchweihe statt. Seitdem wird in Dirmingen die „Kerb“ gefeiert. Die Bevölkerung Dirmingens einigte sich im Laufe der Jahre, aufgrund der nicht feststehenden Kalendertage, auf den letzten Oktobersonntag als Kirchweihtag. Das letzte Oktoberwochenende liegt etwa in der Mitte des zeitlich stark schwankenden 27.Trinitatissonntages und bot sich somit als feststehender Termin an. Im Jahre 1968 dachte der Dirminger Gemeinderat kurzzeitig darüber nach, die “Kerb” vorzuziehen. Der Gemeinderat wollte mit dieser Terminverschiebung dem Patroziniumstag des heiligen Wendalinus, der hiesigen katholischen Wendalinus Pfarrgemeinde, entgegenkommen. Am Ende wurde jedoch am feststehenden Termin im Oktober festgehalten.

Als Tanzliedchen wurde u.a auch gesungen:

Ei un dat klaawen ich, klaawen ich, klaawen ich , Bettelleit hanns gutt, hanns gutt. Bettelleit hanns gutt. Sitze hinnerm Owe un raache de Klowe, Ei un dat klaawen ich, Bettelleit hanns gutt.

Historisches „Kerwe-Lied“ aus dem 19. Jahrhundert

Die „Kerb“ hat nicht nur in unserem Heimatort einen hohen Stellenwert. Vielen saarländische Ortschaften legen großen Wert auf die Durchführung der eigenen Kirmes. Dabei wird ganz oft deutlich, dass die Bezeichnung „Kerb“ sich früher allein an der Kirchweihe orientierte. Gerade im Mittelalter entstanden in unserem Land viele neue Kirchenbauten. Die Bevölkerung feierte diese neuen Kirchen mit einem Fest. Aus dem Althochdeutschen „chirihwihi“ wurde im mittelhochdeutschen „kirchwihi“ und durch Unterdrückung des „ch“ die „Kirwihe“. Bereits im 15 Jahrhundert entstand der Begriff „Kirwe“ und durch Verstärkung des Buchstaben „w“ zu „b“ „kirb“ und „Kerb“. Belegt ist also das die eigentliche Kirchmesse, einer zur Weihe der neuen Kirche gehaltenen ersten Messe herzuleitende Ausdruck Kirmes demnach ein Gedenktag wie „Kirbe“, „Kirb“ oder „Kerb“.

Mit der rein kirchlichen Handlung verband sich im Mittelalter vielfach ein Markt mit weltlichen Festtreiben, das im Laufe der Zeit ganz oft zu einem Jahrmarkt wurde. Das führte schon sehr früh zu einer Lockerung der kirchlichen Bindung. Irgendwann löste sich die Kerb im Laufe der Zeit zur Allgemeinbezeichnung einer ausgelassenen weltlichen Feier. Die eigentliche Kirchweihe geriet immer mehr in den Hintergrund. Ähnlich mag es sich auch mit den gerade in katholischen Gemeinden üblichen Patronatsfest gehalten haben. Viele katholische Gemeinden widmeten einem Heiligen an dessen Patronatstag das Kirmesfest.

Die „Kerb“ stand schon immer für die schönen Sünden dieser Welt. Vieles davon ist bei weitem nicht christlich und hat auch im Entferntesten nichts mit der herkömmlichen Kirchweihe zu tun. Nach dem 30- jährigen Krieg begann man damit zur Kirmes verschiedenen Gesellschaftsspiele anzubieten. Stangenklettern nach dem „Kerwehahn“ oder „Kerwehammel“, Wettlauf der Mädgde, Lauf der Schwerter, Ringkämpfe, Kegelspiele Tänze, Vogelschießen, Ball-Fecht und Tanzspiele Steckenpferdreiten und Aufführungen von Schauspielen standen auf der Tagesordnung.

Vielerorts wird das Kirmestreiben mit einem Baum oder Strauß begangen. Gerade die Dorfjugend zog damals als sogenannte Straußenjugend durch das Dorf. Dieses Brauchtum ist angelehnt an die uns bekannten Frühlingsbräuche. Bekanntlich wird auch zum Maifest ein Baum oder Strauß geschmückt. Überhaupt zeigt das „Kerwebrauchtum“ unverkennbar Verbindungen zu der Fastnacht oder dem Maibrauchtum. Im Gegensatz zu den rein moselfränkischen Gegenden gibt es in unseren rheinfränkischen Gebieten in manchen Orten auch die Hammelkerb. Diese Sitte wurde dem Erntebrauchtum entnommen. Aufgrund der Tatsache das unser Heimatort inmitten der „Das-Dat-Linie“, in der saarländischen Mischzone liegt, hat sich bei uns eine eigene Sonderheit zur Kerb etabliert. Nirgends wo anders gibt es z.B ein „Kerwe-Lisje“ und ein „Kerwe-Hannes“ als gemeinsames „Kerwepaar“. Am Ende ist es aber immer das, was man daraus macht. Wichtig ist, dass man an dem jeweiligen Brauchtum erinnert. Dabei sollte es keine Rolle spielen wer es erfunden hat.

Früher stand der Hahn in engster Beziehung zur Kirchweihe und der damit verbundenen „Kerb“. Warum der Hahn damals eine besondere Bedeutung hatte lässt sich leicht erklären. Früher war es völlig normal das sich auf jeder Kirchturmspitze ein Kirchturmhahn befand. Der Hahn stand für das sogenannte Kirchturmdenken. In manchen saarländischen Ortschaften richtet man zur eigenen Kerb zeitliche Rituale ein. In Dirmingen z. B sagte man, dass man vor dem Kirmeswochenende (Ende Oktober) zum letzten Mal für das Jahr gemäht werden sollte. Meistens wurde zum Kirmesdatum bereits mit der Hausschlachtung begonnen. Die Kerb wurde sehr früh als Volksfest verstanden. Dabei standen das Essen und Trinken immer im Vordergrund. Natürlich darf zur Kerb der eigene „Kerwekuche“ nicht fehlen. In unserem Dorf wurde früher, der Jahreszeit entsprechend, „Quetschekuche“ gebacken. Zur eigenen Kirmes kam immer die Familie zusammen. Dies hatte in allen Familien unseres Dorfes Tradition. Gemeinsam wurde gegessen, gefeiert und schließlich Karussell gefahren.

Im Jahre 1999 küsste unser damaliger Ortsvorsteher Rudi Hell, die etwas in die Jahre gekommene „Derminga Kerb“, wach. Gemeinsam mit seinen Vasallen des Kulturvereines Dirmingen schaffte er eine Aufwertung des bunten Kirmestreibens. Dabei waren die Kulturaner immer darauf bedacht, eine gewisse Einheit zu demonstrieren. Die „Derminga Kerb“ wird jedes Jahr unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ durchgeführt. Mit diesem Slogan soll der Zusammenhalt im Kulturverein und in der Bevölkerung gestärkt werden. Ziel ist es, die „Kerb“ als Fest der Dirminger in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Heute spielt es längst keine Rolle mehr, ob man evangelischen oder katholischen Glaubens ist. Im Vordergrund stehen der Mensch, die Heimatliebe und die Lust am Leben. Für die Außendarstellung spielt ein einheitliches Auftreten eine gewichtige Rolle. Aus diesem Grunde beschlossen die „Kulturaner“, sich ein gemeinschaftliches Aussehen zu verschaffen. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende wurden die bekannten „weiß-blauen Musketier-Kostüme“ zum Markenzeichen der Kulturaner. Die blauweißen Farben des Kostüms erinnern an die Wappenfarben des Heimatortes Dirmingen. Musketiere stehen zudem für Patriotismus, Zusammenhalt, Ehre und Loyalität. Mit diesen Eigenschaften kann sich der Kulturverein zur eigenen „Kerb“ gut identifizieren. Es bleibt zu hoffen, dass wir noch viele Jahre die Tradition aufrechterhalten und am letzten Oktoberwochenende „Kerb“ feiern können.

So darf es mit unserer „Kerb“ nicht zu Ende gehen! Auch wenn das laufende Jahr 2020 unserer Dorfgemeinschaft einen kollektiven knock-out verpasst hat, müssen wir alles daran setzen wieder aufzustehen und im nächsten Jahr neu anzugreifen.

Dies sind wir unserer Dorfgemeinschaft, unserer Kultur und den Menschen, die unsere Heimat geprägt haben, einfach schuldig. Die „Derminga Kerb“ 2021 findet in der Zeit vom 23.10. bis zum 25.10.21 statt. Spätestens dann möchte ich wieder den Schlachtruf hören: „Wem is die Kerb“? Us is die Kerb“………Packen wir es an!!!