„…..do werd die Wutz geschlacht, dodraus werd Worschd gemacht“
Die ersten Nachweise über die Tätigkeit eines Metzgers finden wir bei den alten Galliern. Schon weit vor Christi Geburt gab es Menschen die Wurst herstellten und damit ihr tägliches Brot verdienten. Seitdem hat sich vieles verändert. Bei den Römern sorgte ein Lanius (Metzger) für die Versorgung der Truppe mit Wurst und Fleisch. Der Beruf des Metzgers kam zunächst über die Städte auf das Land. Im 17. Jahrhundert ließen sich vermehrt Fleischer in den Dörfern nieder. Das Schlachten bekam zusehends mehr System wobei immer mehr Bauern das blutige Handwerk der Fleischer nutzten. Geschlachtet wurde im Haus des Metzgers oder auf dem Gehöft des Bauern. Nach dem 30-jährigen Krieg verbreitete sich der Beruf des Fleischers im ganzen Land.
Diejenigen die sich keinen Metzger leisten konnten, mussten selbst zum Beil greifen. In den meisten Dörfern wurde bis ins 20.Jahrhundert Hausschlachtungen betrieben. Dabei ging es im Wesentlichen darum die eigene Familie zu versorgen. Die Menschen hatten nicht viel und mussten sich ihre Lebensmittel einteilen. Geschlachtet wurde meistens vor großen Festen wie z.B Weihnachten oder Ostern oder einem großen Familienfest wie Hochzeit oder Geburtstag. Gerade im Saarland waren im 19.Jahrhundert Kartoffelspeisen sehr beliebt. Geschlachtet wurde eher selten. Fleisch und Wurst waren kostbar und wurden, wenn vorhanden, geräuchert und gut aufbewahrt.
Im 18.Jahrhundert war es nicht selten, dass Menschen die Arbeit eines Metzgers nebenbei verrichteten. Ganz oft handelte es sich um Wirtsleute oder Handwerker, die das Schlachten übernahmen. Erst im 20. Jahrhundert kamen die großen Schlachthäuser in Mode. Das Produkt Fleisch und Wurst gewann zusehends Popularität. Immer mehr Bauern und Landwirte lebten von der Viehlandschaft. Der Beruf des „Fleischbeschauers” erlebte seine Hochzeit. Nur das Beste Fleisch sollte verwendet werden. In den 1920 Jahren mussten Metzger aufgrund der mangelnden Kühlmöglichkeiten rund um die Uhr einsetzbar sein. Nichtsdestotrotz wurde gerade auf dem Land und in Dörfern weiterhin auf Hausschlachtungen gesetzt. Auch in Dirmingen schlachteten viele Landwirte und Bergmannsbauern weiterhin selbst ihr Vieh oder bestellten sich einen Metzger zur Schlachtung Nachhause. Die Schweine wurden durch einen Schlag auf den Kopf mit der stumpfen Seite einer Axt betäubt und anschließend abgestochen, wobei das Blut in einer irdenen Schüssel aufgefangen wurde. Das Blut musste ständig gerührt werden, damit es nicht gerinnen konnte. Hausschlachtungen waren für die ganze Familie, insbesondere die Kinder ein Ereignis, denn dem geschlachteten Schwein wurde die Blase entnommen, die aufgeblasen und getrocknet als Ball zum Spielen verwendet wurde. Selbst in den 1970-ger Jahren fanden noch enorm viele Hausschlachtungen in unserem Heimatort statt. Ich kann mich daran erinnern, dass ich auf meinem Schulweg einen Bauernhof passieren musste, der regelmäßig selbst schlachtete. Das aufgeschnittene und ausgeweidete Schwein wurde am großen Stalltor aufgehängt.
Die ersten großen Fleischermärkte und Groß-Metzgereien wurden im frühen 20.Jahrhundert gegründet. Im Jahre 1910 begann in Dirmingen die Geschichte der saarländischen Firma Höll. Das Ehepaar Hans und Katharina gründeten im Herzen unseres Heimatortes eine Metzgerei. Im Jahre 1930 übernahm Sohn Wilhelm den Betrieb und führte diesen erfolgreich in die Zukunft. Schon im Jahre 1962 wurde die bereits stark gewachsene Produktionsstätte nach Illingen verlegt. Im Jahre 1975 übernahm Hans Höll Junior in dritter Generation die Unternehmensleitung. Ebenfalls in den 1920-ger Jahren eröffnete der Metzgermeister Karl Ludwig Eigner und seine Frau Louise Regitz, aus dem Dirminger Haus „Hanjere“, eine Metzgerei. So entstand in den eigenen vier Wänden die traditionsreiche Dirminger Metzgerei „Eischnersch“. Der Sohn des Ehepaars Werner Eigner übernahm schließlich die Metzgerei mit eigener Schlachtung. Jahre später führte die Familie Feißt als Pächter den Verkauf von Fleisch und Wurstwaren weiter. Neben des Wurst-Giganten Höll hatte die Metzgerei Eigner in Dirmingen einen überaus guten Ruf. Damals gab es noch in jedem größeren Dorf eine eigene Bäckerei oder Metzgerei.
Wenn ich zurück an meine Jugendzeit denke, erinnere ich mich noch gut an den Metzger Knichel oder die Metzgerei des Peter Heidemann in der Ortsmitte. Metzgereien gehörten viele Jahrzehnte fest zur Infrastruktur unseres Heimatortes. Nach dem zweiten Weltkrieg basiert der wirtschaftliche Aufschwung unseres Dorfes zu großen Teilen auf der hiesigen “Schäfer Brauerei” und auf dem Wurstfabrikanten “Höll”. Jeden Morgen verließen massenweise die Dienst -und Lieferfahrzeuge den Fuhrpark, um das begehrte Produkt zu vermarkten. Im Jahre 2010 beschäftigte das Traditions-Unternehmen Höll in Saarbrücken rund 700 Mitarbeiter. Die Eigenmarke Höll produzierte im Laufe der Jahrzehnte knapp 800 Varianten Wurstwaren. Besonders im Saarland genießt die Marke Höll bis heute einen hohen Stellenwert. Im Jahr 2013 meldete das Traditionsunternehmen Insolvenz an. Heute erinnert nur noch das Gründungshaus der Fa. Höll und das Familiengrab auf dem Dirminger Friedhof an den ehemaligen saarländischen Wurstgiganten. Die wenigsten Saarländer wissen, dass die Wiege der Firma Höll in Dirmingen stand.
Die Hausschlachtung oder ein Teil der Selbstversorgung
Im Untergeschoss befand sich vorne, bevor sich das Haus in den Hang eingrub, die große Waschküche mit eingemauertem Kessel, der mit austauschbaren Kupfer- und Emaileinssätzen versehen war. Ein großer kohlebefeuerter Herd diente zum Kochen und Einkochen und zum Heizen an Waschtagen. Das heiße Wasser wurde in dem eingemauerten Kessel zubereitet, der, nochmals mit anderem Einsatz zur Herstellung von Schweinefutter und mit einem dritten Einsatz zum Überbrühen der Würste sowie zum Einkochen von Pflaumenmus, Marmeladen und anderen essbaren Dingen gebraucht wurde. Waschbrett, Wäschestampfer und Auswringrolle vervollständigten die Einrichtung ebenso wie Küchentisch, Küchenbord, Butterfass, Siebe und Seihen für die Käseherstellung. Neben der Waschküche befand sich der Stall, der in Schweinekoben, Ziegenstall und Hühnerstall abgeteilt war. Der Schweinekoben war abgemauert, die anderen Abteilungen durch einfache Lattengestelle unterteilt. Die Hühner konnten tagsüber von ihren Sitzstangen über eine Hühnerleiter hinaus auf die Wiese, wo sie nur von dem Hahn eifersüchtig beaufsichtigt wurden. Die beiden Geißen, im Ort nur als Bergmannskühe bezeichnet, warfen, im Frühjahr ihre Zicklein Im hinteren Teil des Untergeschosses befand sich ein in die Erde eingegrabener Keller, in dem Kartoffeln und Rüben gelagert wurden. Sauerkraut im Tontopf, Einweckgläser, Wurst in Konservendosen Fruchtsäfte jeglicher Art sowie Marmeladen in Gläsern und Flaschen war in Regalen unter der Kellertreppe verstaut.
Von Lyoner, tropentaugliche Konserven und ungarischen Spezialitäten
Zweimal in der Woche spannt der Alte Höll den großen Bernhardiner vor den zweirädrigen Karren, hievt den Kessel mit dem brühend heißen Wurstwasser und den darin schwimmenden Fleischwurstringen auf den Karren und zieht durch die Straßen des Dorfes. Die Bergleute im Dorf nehmen öfter einen Lyoner mit zur Schicht. So kommt es, dass wenige Jahre später zweimal in der Woche vom Hof der Metzgerei ein dreirädriger Holzvergaser die Kantinen der saarländischen Kohlegruben und Hütten abfährt. Meine Lyoner kaufe ich Jahre später nur noch bei wenigen Metzgern der Republik. Gott bewahre die Gesundheit dieser Metzger, damit ich ab und an eine saarländische Fleischwurst genießen kann. Der „Alte“ war ein dem traditionellen Handwerk treuer Metzger und ein genialer Kaufmann. Davon zeugen seine Verträge über die Entwicklung und den Vertrieb tropentauglicher Konserven an die französische „Kolonialarmee“ wie auch die Einstellung ungarischer „Spezialisten“ für Salami und Gulasch nach den Ungarnaufständen.