In den Klauen der Pandemie – Wer bezahlt am Ende die Rechnung und was bleibt?
„Am Ende wird alles gut! Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.„
Oscar Wilde
Ein abendlicher Spaziergang durch meinen Heimatort hat mich dazu bewegt, diesen Blog zu schreiben.
Fast ein Jahr leben wir nun schon mit dem Corona-Virus. Niemand hätte zu Beginn dieser Pandemie damit gerechnet, dass dieser Bazillus einmal unser Leben so nachträchtig verändern wird. Mittlerweile haben wir in Deutschland über 50 000 Menschenleben zu beklagen. Die Kliniken sind überfüllt und die Intensivbetten werden knapp. Ist das alles nur ein Fake oder bittere Realität? Egal welche Meinung wir am Ende teilen, ob wir zum Querdenken aufrufen oder an die Vernunft appellieren, die Pandemie hat uns fest in ihren Krallen.
Ich frage mich: Wie sieht unser Leben nach der Pandemie aus und inwieweit verändert sich unsere Gesellschaft oder auch unser Dorfleben?
Ich laufe planlos durch die Straße meines Dorfes und mache mir wirklich große Sorgen. Frag mich nicht was mich zu diesem abendlichen Streifzug durch unser Dorf getrieben hat. Ich sehne mich nach einem Glas Bier und ein paar Gesprächen an der Theke. Mit Freunden Pläne schmieden, diskutieren oder auch einfach mal loslassen. In den Nachrichten habe ich gehört, dass man die Wirtschaft unbedingt weiter am laufen lassen muss. Große Betriebe werden mit Milliarden subventioniert, während andere um ihre Corona-Unterstützung bangen. Scheinbar profitieren sogar manche große Unternehmen, Discounter und Firmen von der Pandemie. Währenddessen müssen in unserem Dorf die kleinen Geschäfte schließen. Welches Geschäft wird diese Pandemie überleben? Der Mittelstand balanciert am Abgrund. Ich schlendere vorbei an unseren Geschäften und teile die Sorgen unserer Geschäftsinhaber. Vor dem Gasthaus „Schuhhannesse“ verharre ich eine Sekunde und frage mich ob es überhaupt wieder möglich sein wird, dort ein gepflegtes Bier zu trinken. Wie kommt unsere Gastronomie zu recht und wie überstehen sie diese Zeit. Wer bezahlt Angestellte und Aushilfen und wie viele Gastronomen mussten ihre Mitarbeiter kündigen? Überhaupt stellt sich mir die Frage, wie die Menschen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen mit der Situation zurechtkommen. Die Welt steht still und jeder steht vor der Frage: Wie wird es weitergehen?
Schulen und Kitas bleiben geschlossen und stellen Alleinerziehende wie Doppelverdiener vor große Probleme. Während die einen den Spagat zwischen Home-Office, Betreuung, Förderung und Aufsicht stemmen müssen, stehen Alleinerziehende oftmals vor dem Problem: Wie schaff ich das alles und wer bezahlt mir am Ende meine Rechnungen. Wer unterstützt Familie und Alleinerziehende, die sich selbst nicht so gut helfen können? Ich denke am Ende werden diejenigen die am Rande unserer Gesellschaft stehen zu den größten Verlierer dieser Pandemie gehören.
Die neusten Beschlüsse der Regierung verlangen das Tragen einer FFP2 Maske beim Einkaufen sowie in Bussen und Bahnen. In Anbetracht dessen wie teuer solche Masken wirklich sind, frage ich mich, ob sich auch wirklich jeder eine solche Maske leisten kann. Sicherheit nur für Wohlhabende? Das wäre ein echter Alptraum. Ich fürchte, die Pandemie verschärft die sozialen Unterschiede in unserer Gesellschaft.
Experten befürchten, dass die Kontaktbeschränkungen nicht spurlos an unseren Kindern vorbeigehen. Manche behaupten sogar, dass unsere Kinder bleibende Schäden mitnehmen werden. Fakt ist, dass die Kinder sich nicht mehr zum Spielen treffen dürfen. Schon das allein kann nicht gut sein. Die sozialen Aspekte werden einfach so weggeschoben. Das Miteinander, der Körperkontakt, das Spielen und Raufen fehlt in jeder Hinsicht.
Noch vor einem Jahr haben wir davon geredet unsere Kinder vor dem PC und den sozialen Medien zu schützen. Heute sind wir darauf angewiesen und fördern den Umgang mit der modernen Technik. Ich mache mir Sorgen um unsere Vereine und vor allen Dingen um unsere Dorfkultur. Obwohl manche Vereine langsam wieder die grobe Planung eines Festes ins Auge fassen, steht längst noch nicht fest, ob diese Veranstaltungen am Ende auch tatsächlich durchgeführt werden können. Ich befürchte, dass ein weiteres Jahr ohne festliche Aktivitäten große Schäden in unserer Vereinslandschaft hervorrufen könnte. Keine Einnahmen, kein Vereinsleben, keine neuen Mitglieder, keine Sponsoren. Der pure Überlebenskampf hat längst begonnen. Unsere Kultur gehört neben unserer Geschäftswelt zu den weiteren großen Verlierern. Ich sehne mich nach Live-Musik, Party oder einfach nach einem guten Konzert.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Die große Mehrheit der Deutschen hält die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie für angemessen und hat sich an die Maskenpflicht gewöhnt. Dennoch bleiben Zweifel daran, ob der Burgfrieden noch lange hält. Wie lange sind die Menschen noch bereit mitzumachen. Als Kommunalpolitiker muss ich als Vorbild agieren und vermittelten. In letzter Zeit stelle ich jedoch immer öfter fest, dass eine große Unzufriedenheit und eine gewisse Depression sich breit macht. Viele der sicherlich richtigen und wichtigen hygienerechtlichen Maßnahmen wirken auf die Bevölkerung befremdlich.
Die Pandemie verändert alles, auch unser Familienleben. Frauen leisten noch mehr unbezahlte Arbeit als vor der Krise. Ich sehe es täglich in meiner eigenen Familie und an meiner Frau, die neben ihrer Arbeit nun auch noch den Schulunterricht unterstützen muss und die Hausarbeit stemmt. Ich fürchte, dass diese Pandemie auch die vorangetriebene Gleichberechtigung hemmt. Die traditionellen Geschlechterrollen rücken wieder mehr in den Vordergrund. Auch die häusliche Gewalt hat mit Beginn Corona-Pandemie und den damit bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens zugenommen. Schließlich beeinflusst der Virus auch unsere Psyche. Ich selbst habe immer öfter die „Flemm“. Ich will Menschen treffen, Singen, Tanzen und Lachen. Die massiven Einschränkungen im Alltag fördern bei vielen Menschen Depressionen, Angst und psychosomatischen Beschwerden.
Am Anfang haben wir uns noch mit der Entschleunigung und mit der neuen Ruhe getröstet. Mittlerweile wächst die Ungeduld und vielerorts auch das Unverständnis. Was ist bleibt, wenn der böse Bazillus geht? Werden unsere Geschäfte wieder öffnen, werden die Gasthäuser wieder Bier zapfen und können wir wieder unbeschwert Essen gehen?
Wie wird der Neubeginn für unsere Vereine? Werden noch genügend aktive Mitglieder, Spielerinnen und Spieler und Sponsoren zur Verfügung stehen? Wie verkraftet unser Gewerbe diese Pandemie? Werden die Geschäfte wiedereröffnet und wie groß ist der wirtschaftliche Schaden?
Viele Fragen, keine Antworten.
Am Ende tröstet das Zitat von Oscar Wilde:
„Am Ende wird alles gut! Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.„
Oscar Wilde