Einer für alle, alle für einen – Unser steiniger Weg zur 275. „Derminga Kerb“

„Auch aus Steinen, die Dir in den Weg gelegt werden, kannst Du etwas Schönes bauen“

Volksmund

Leider war keine Zeit für eine angemessene und ordentliche Amtsübergabe. Als unser Ortsvorsteher Manfred Klein uns verlassen musste, hatte niemand von uns die „Kerb“ im Sinn. Während den Planungen für unserer diesjährigen Kirmes hab ich oft in den Himmel geblickt und um Rat gebeten. Der Weg zu der ersten Kirmes nach dem großen Lockdown war steinig und beschwerlich. Dabei ist gerade die „Derminga Kerb“ das traditionsreichste Fest aller „Derminga“. Kaum ein anderes Fest in unserer Gemeinde verbindet auf diese besondere Art und Weise Kultur und Heimatliebe.

In der Zeit vom 23. -25. 10.21 feiern wir in unserem Heimatort die 275. „Derminga Kerb“. Unser Weg zur diesjährigen Kirmes war alles andere als leicht. Die Behörden mussten uns verständlicherweise mit einem harten Hygienekonzept unterziehen. Zudem verstarben im vergangenen Jahr zwei unserer langjährigen Schausteller und mit der Fa. Jockers, die über 60 Jahre in Dirmingen ihren Autoscooter stellte, haben wir ein weiteres Standbein verloren. Zu allem Überfluss befindet sich unser Dorf eine gefühlte Ewigkeit im Baustellenmodus. Unsere Schritte in eine neue Zukunft fühlen sich schwer an und sind gespickt mit Hindernissen. Dennoch, einfach aufgeben war nie eine Option!

In diesem Jahr wird nicht zuletzt aufgrund der Pandemie vieles anders sein. Der Kirmesplatz wird umzäunt und jeder Besucher/in muss sich den 3 G Regeln unterordnen. Ich bitte alle Benutzer des Zugverkehrs sich auf einen Umweg einzustellen. Während der Kirmes wird die Illbrücke nicht nutzbar sein. Gottlob ist es gelungen Menschen zu finden, die sich bereiterklärt haben über die „Kerb“ die Eingangskontrollen zu gewährleisten.

Einer für alle, alle für einen

Ich bin sehr stolz darauf, dass es gelungen ist Schausteller zu finden. Ja, wir werden sogar wieder einen Autoscooter und ein Kinderkarussell auf dem Platz haben. Hinzu kommen mehrere Kirmesbuden, Getränke- und Essensstände und eine Bühne.  Erstmals werden wir auf unserer „Kerb“ Live-Musik genießen können. Während samstags der gute Fynn Raber mit seiner fetzigen Musik begeistern wird, kann das feierwütige Volk am Sonntagmorgen bei gediegener Blasmusik den Frühschoppen genießen. In unseren Gaststätten wird ebenfalls einiges geboten. Das Gasthaus „Wutze Walter“ lockt unter anderem mit einem genüsslichen Kerwe-Frühstück“, das Gasthaus „Schuhhannesse“ mit tollem Essen und einem abwechslungsreichen „Kerwe-Programm“ und die „Destille“ mit einem fetzigen Motto-Programm mit viel Musik. Es ist also angerichtet und wir alle dürfen uns auf die „Kerb“ freuen.

Es ist kein Dörflein gar so klein, Daß nicht drin’ sollt des Jahrs eine Kirmes sein.

Johann Nepomuk Vogl

Bei der Dirminger „Kerb“ handelt es sich um ein Kirchweihfest im eigentlichen Sinne. Zur „Derminga Kerb“ gedenken wir der Kirchweihe der heutigen evangelischen Kirche zu Dirmingen in der Ortsmitte. Der Geschichte zu Ehre sollte man erwähnen, dass der Turm der heutigen evangelischen Kirche vermutlich aus der zweiten Hälfte des 13.Jahrhunderts stammt. Am 27.April des Jahres 1746 wurde der Grundstein für den Neubau der Kirche gelegt. Der Teil des historischen Turmes wurde dabei erhalten. Schon am 06.November 1746, nach einer Bauzeit von nur einem halben Jahr, fand die Kirchweihe statt. Seitdem wird in Dirmingen die „Kerb“ gefeiert. Die Bevölkerung Dirmingens einigte sich im Laufe der Jahre, aufgrund der nicht feststehenden Kalendertage, auf den letzten Oktobersonntag als Kirchweihtag. Das letzte Oktoberwochenende liegt etwa in der Mitte des zeitlich stark schwankenden 27. Trinitatissonntages und bot sich somit als feststehender Termin an. Aus dem einstmaligen Kirchweihfest entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte die Veranstaltung mit Buden und Karussells so wie wir sie heute kennen. Früher durfte an der „Kerb“ niemand arbeiteten. Für die Bauern waren es die einzigen freien Tage im Jahr. Es war ein Fest für die ganze Familie. Bis heute ist es laut Volksmund guter Brauch, das eigene Land, Wiesen und Gärten bis zur „Kerb“ gemäht oder bewirtschaftet zu haben. Der bekannte Baumeister Friedrich Joachim Stengel erschuf die evangelische Kirche in der Ortsmitte im barocken Stil. Ganz nebenbei hat Stengel so bekannte Werke wie z.B die Ludwigskirche, die Kirche St. Johann Saarbrücken und der Neubau des Schlosses in Saarbrücken erbaut. Ob der damalige berühmte Baumeister jedoch jemals in Dirmingen war, um sein Werk zu erblicken, ist nicht belegt. Allein die Baupläne stammen nachweislich aus der Feder des berühmten Meisters.

Schausteller in Dirmingen

In den 1990-er Jahren wurde das Interesse der Menschen an der eigenen Kirmes von Jahr zu Jahr weniger. Die Schausteller beklagten den Rückgang der Einnahmen. Genau zu dieser Zeit reiften die ersten Überlegungen, der eigenen „Kerb“ ein neues Ansehen zu verschaffen. Die ersten Gedankenspiele der Verantwortlichen gingen dahin, den Menschen im Dorf ihre eigene Kirmes wieder nahe zu legen. Gesagt, getan! Im Jahre 1999 wurde erstmals die Kirmes unter Mithilfe einer “Kernmannschaft“, des späteren Kulturvereins, im „Kläse“-Keller ausgegraben. Zum „Leben erweckt“ wurde eine Strohpuppe, die mit einer Flasche Schnaps aus dem alten „Kläse“-Keller herausgetragen wurde. Mit dieser ersten Ausgrabung der „Kerb“ hatte der Ortsvorsteher Rudi Hell zusammen mit seinen Mitstreitern den Bann gebrochen. Nur kurze Zeit später erfolgte die Gründung des Kulturvereins Dirmingen. Seit seiner Gründung ist der Dirminger Kulturverein, gemeinsam mit dem Ortsrat, für den Erhalt des Kirmesbrauchtums in Dirmingen verantwortlich. In den letzten Jahren pilgerten zur Ausgrabung der „Kerb“ zahlreiche Schaulustige, um der Wiederbelebung des „Lisjes“ beizuwohnen.

Genau an dieser Stelle stoßen wir auf das nächste Problem. Vor einigen Tagen erreichte uns die Nachricht, dass ab November für die Martinsumzüge und auch für die Weihnachtsmärkte erhebliche Lockerungen der vorhandenen Hygieneverordnungen durchgeführt werden. Sogar die 3 G Regel entfällt. Mittlerweile wurde gottlob auch eine Lösung für die Corona Tests für Kinder während den Ferien gefunden. Nicht auszudenken, wenn unsere Kinder wegen einem fehlenden Test nicht zur Kirmes hätten kommen können. Die neuerlichen Lockerungen bezüglich eines Umzugs kommen für die „Derminga Kerb“ allerdings zu spät. Schweren Herzens mussten wir unseren „Kerwe-Umzug“ absagen. Man teilte uns mit, dass unter diesen Umständen eine Kontaktnachverfolgung nicht möglich wäre. Nun haben wir also alle Gäste um 16:30 Uhr zum Festplatz geladen. Dort findet die Eröffnungszeremonie statt und natürlich wird auch das „Lisje“ präsentiert.

Großer Andrang auf dem Festplatz

Jedes Jahr steht man in Dirmingen vor der Frage: Wer wird wohl in diesem Jahr „Lisje“ sein? Warum wird eigentlich in jedem Jahr ein solch großes Geheimnis aus den Acta „Lisje“ gemacht? Weil es Spaß macht und wir es genauso, schöner finden. Im Jahr 2000 gab es in Dirmingen erstmals ein „lebendiges“ „Kerwelisje“. In den ersten Jahren war das „Kerwe-Lisje“ noch auf sich allein gestellt. Erst im Jahre 2003 nahm erstmals ein „Kerwe-Hannes“ Platz an der Seite des „Lisjes“.

Wie lange werden wir noch unser „Lisje“ ausgraben und Kerb Feiern können? Letztendlich liegt es an uns selbst. Es ist immer das was wir daraus machen. Aufgeben ist wie bereits erwähnt keine Option.

Im September bekamen wir die Nachricht, dass sich die Baustelle im Brühlpark aufgrund Materialmängel und Lieferengpässen verzögert. In den letzten Wochen haben wir hinter den Kulissen fieberhaft nach Lösungen gesucht. Am Ende hat sich der Kampf gelohnt. Einfacher wird die Sache jedoch nicht! Fakt ist: der Platz kann zur Durchführung der „Kerb“ genutzt werden.

Wie erhalten wir die „Kerb“ und wie gelingt es uns die Schausteller auch weiterhin in unser Dorf zu locken? Seit vielen Jahren mangelt es an einem Karussell oder einem Angeboten für Jugendliche. Natürlich hören wir auf die Kritik unserer Dorfjugend, allein an der Umsetzung scheiterte es in den letzten Jahren. Mit den großen Kirmessen wie z.B der Wendalinus-Kerb können wir nur schwerlich mithalten. Eine Dorfkirmes für die Schausteller attraktiv zu machen ist eine gewaltige Aufgabe. Eine gewöhnliche Kirmes lockt keinen ambitionierten Schausteller mehr aus der Reserve. Im Saarland war in den letzten Jahren ein vermehrtes Sterben von Dorf-Kirmessen festzustellen. Von daher bin ich sehr froh darüber, dass wir immer noch eine kleine, aber recht feine „Kerb“ im Herzen unseres Dorfes haben.

Riskieren wir einen Blick in die Zukunft. Sobald es möglich ist, werden wir auch wieder die „Kerb“ am „Kläse Keller“ ausgraben. In diesem Jahr mussten wir jedoch einige Kompromisse eingehen. Ziel ist es unsere „Kerb“ zu erhalten. Dies funktioniert am besten, wenn wir uns alle daran beteiligen. Ich lade euch alle ganz herzlich dazu ein euch einzubringen und mitzumachen. Besucht den Festplatz, unsere Open-Air- Veranstaltungen, die Gaststätten und auch den Kirchweih-Gottesdienst. Helft alle mit unsere „Kerb“ aufzuwerten und zu erhalten. Natürlich hätten auch wir uns gewünscht, dass wir ohne 3 G Regeln arbeiten können. Leider sind uns die Hände gebunden.

Volles Haus

Die „Derminga Kerb“ wird jedes Jahr unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ durchgeführt. Mit diesem Slogan soll der Zusammenhalt im Kulturverein und in der Bevölkerung gestärkt werden. Ziel ist es, die „Kerb“ als Fest der Dirminger in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Heute spielt es längst keine Rolle mehr, ob man evangelischen oder katholischen Glaubens ist. Im Vordergrund steht der Mensch, die Heimatliebe und die Lust am Leben. Für die Außendarstellung spielt ein einheitliches Auftreten eine gewichtige Rolle. Aus diesem Grunde beschlossen die „Kulturaner“, sich ein gemeinschaftliches Aussehen zu verschaffen. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende wurden die bekannten „weiß-blauen Musketier-Kostüme“ zum Markenzeichen der Kulturaner. Die blauweißen Farben des Kostüms erinnern an die Wappenfarben des Heimatortes Dirmingen. Musketiere stehen zudem für Patriotismus, Zusammenhalt, Ehre und Loyalität. Mit diesen Eigenschaften kann sich der Kulturverein zur eigenen „Kerb“ gut identifizieren. Es bleibt zu hoffen, dass wir noch viele Jahre die Tradition aufrechterhalten und am letzten Oktoberwochenende „Kerb“ feiern.

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