War früher wirklich alles besser ? – Wählt gute Saat, gute Saat bringt gute Ernte

Früher war alles besser! Wie habe ich diesen Spruch als Kind gehasst! Ich hatte mir so fest vorgenommen, dass mir dieser Satz nie über die Lippen kommen wird. Die Zeiten ändern sich und irgendwie sorgt die oft zitierte Zeitenwende für einen Sinneswandel. Geredet und gelästert wird immer und der Mensch neigt allzu oft dazu alles schlecht zu reden. Der Sittenverfall und die immer schlechter werdende Moral lassen gerade die älteren Semester unter uns verzweifeln. Weltweit glauben die Menschen, dass sich unsere Moral im Sturzflug befindet und dass wir die Menschlichkeit mit Füßen treten.  Früher war alles besser! Ich wollte diesen Spruch niemals aussprechen. Ich erinnere mich an meine Jugendzeit. Ich hasste den erhobenen Zeigefinger die vielen selbsternannten Moralapostel. Früher war alles besser, wenn ich diesen Satz hörte, schwoll mir der Kamm. Befehle und Zurechtweisungen waren mir schon immer ein Greul. Mit Belehrungen konnte ich eigentlich nie etwas anfangen. Und heute?

Früher war alles besser! In den letzten Monaten ertappe ich mich immer wieder dabei, wie mir dieser allzu verhassten Satz durch die Gedanken huscht. Was ist los mit mir? Wo ist mein Gewissen? Keine Frage, ich bin älter geworden und nicht alles wiegt mehr so leicht wie früher. Die Unbeschwertheit hat mich verlassen und kommt nur noch selten zu Besuch. Ich mache mir viel mehr Gedanken und beobachte die Menschen mit anderen Augen. Irgendwie ist alles im Wandel. War früher tatsächlich alles besser? Nein, ich will und kann mir das nicht vorstellen. Andere Zeiten, andere Sitten. Jede Zeit hat ihr Übel oder um es mit dem Prediger Text der Bibel zu sagen: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde…“ (Prediger Salomo – PRED 3,14) Was ist los mit mir? Warum liegt mir dieser Satz in den letzten Tagen so oft auf der Zunge? Bin ich spießig oder einfach nur alt geworden?

Wer steht für den anderen auf? Letztens begegnete ich in einer Firma einen jungen Mann. Als er mit seiner Laufechse um die Kurve bog, stieß er gegen eine Palette, worauf ihm alles runterfiel. Es lagen gefühlte 1 Million Teile überall auf dem Boden verteilt. Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen gingen an dem jungen Mann vorbei. Viele würdigten ihn noch nicht mal eines Blickes. Gespannt beobachte ich die Situation und musste Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen, dass niemand es für notwendig fand, dem jungen Mann zu helfen. Ich ließ meine Arbeit stehen, ging zu ihm hinüber und half ihm die „Millionen Teile“ aufzuheben. Bin ich nun besser als alle anderen? Nein, ich glaube nicht. Tatsächlich glaube ich, dass vieles in unserer Erziehung liegt. Während meiner Lehrzeit „Unter Tage“ bekam ich das Helfen eingebläut. „Siehst du nicht, dass dein Kamerad Hilfe braucht?“ Ich bin mir gar nicht mehr so sicher, ob wir früher tatsächlich alle „Heilige“ waren. 

War die Welt früher noch in Ordnung? Gute Frage. Tatsächlich glaube ich, dass in den letzten Jahren eine gewisse Verrohung stattgefunden hat. Schuld daran ist unter anderem das Internet. Nicht jeder kann mit den neuen Medien umgehen. Es wird gepostet und kommentiert auf Teufel komm raus! Soziale Ungerechtigkeit, Kriege, Hunger und Armut. Die meisten Deutschen glauben tatsächlich, dass es der Welt früher besser ging als heute.

„Früher war alles besser.“ Tatsächlich gibt es viele Indizien, die dagegensprechen. Die Entwicklung der Kriminalität, der Rückgang der Todesopfer im Straßenverkehr und tatsächlich der Rückgang der Drogendelikte.  Und dennoch macht sich bei uns der Eindruck breit, dass die Zeiten immer schlimmer werden. Woran liegt es? Ein wahrscheinlicher Grund dafür ist die Berichterstattung in den Medien, die sich heutzutage dieser Themen stärker annehmen als früher. Dadurch wächst bei den Lesern der Eindruck, in Deutschland zu leben wäre heute schlechter als früher.

Laut einer Studie sehnen sich die Deutschen zurück in die 80er Jahre. Erstaunlich, waren die 80er doch die Zeit des kalten Krieges und der Angst vor einem Atomkrieg oder die Zeit des Waldsterbens. Vielleicht haben wir nur einen falschen Blick auf die Dinge. Tatsächlich glaube ich, dass neben der bereits erwähnten Verrohung ein gewisser Egoismus sich breit gemacht hat. Die Sätze: „Ich schau jetzt erstmal nur auf mich“ oder „Wer fragt nach mir“ haben sich in das kollektive Selbstverständnis der Menschen geschlichen. Wer steht für den anderen auf? Warum tun wir uns so schwer dem anderen zu helfen? Ist das nicht Menschenpflicht?

Wir leben in Zeiten, in denen es mutig ist, menschlich zu sein. Die Rede ist von den sogenannten „Gutmenschen“. In den sozialen Medien wird der „Gutmensch“ mittlerweile als Schimpfwort benutzt. Muss man sich mal vorstellen?!?

Der Bergbau hat mich geprägt. Wenn heute wieder von der oft zitierten Erinnerungskultur berichtet wird, muss ich immer schmunzeln. Eigentlich brauchen wir keine stählernen Denkmäler oder riesige Schachtanlagen, um unsere Erinnerung zu bewahren. Alles liegt in uns selbst: Die Werte, der Stolz, das Herz, das Gefühl und die Erinnerung. Wir müssen uns nur erinnern und diese Eigenschaften unseren Kindern weitergeben. Aufstehen, weg vom PC oder der Playstation. Raus mal raufen, streiten, diskutieren und unterstützen. Laufen, Fallen, Aufstehen, Weitermachen. Es ist immer, dass, was wir draus machen. Erzieht eure Kinder gut. Macht sie zu Menschen. Zu Menschen mit Fehlern, einer Macke und mit einem Herz. Das ist ohnehin das Wichtigste: Das Herz!

Die Radiozentrale hat unlängst mit der Kampagne „Deutschland, du bist besser als du denkst“ einen neuen Impuls gesetzt. Es geht darum Zuversicht zu streuen. Private und öffentlich-rechtliche Radiostationen senden mit dieser Aktion gemeinsam an 54 Millionen tägliche Hörerinnen und Hörer einen Impuls für einen neuen Optimismus und mehr freiheitlich-demokratisches Bewusstsein. Schon mal gehört?

Unter Tage waren wir „Kumpel“ und wie eine eng zusammengeschweißte Familie. Kameradschaft bekam man buchstäblich eingetrichtert. „Unter Tage“ brauchte man sich gegenseitig. Man musste sich aufeinander verlassen können. Unter Umständen hing davon dein Leben ab. Heute brauchen wir den anderen nicht mehr so sehr. Es geht auch so, allein. Lieber zuhause auf der Couch. Mein Haus, meine Familie, meine Kinder, mein Pool usw. Wars das? Soll das alles gewesen sein?

Wenn man Frust hat, lässt man diesen in den sozialen Medien raus. Wir beleidigen, diffamieren, hassen, wüten und unterstellen was sich das Zeug hält. Ich glaube viele Zeitgenossen können mit ihrer neuen Macht in den sozialen Medien nicht umgehen. Eigentlich bräuchte man für dieses Medium einen Waffenschein. Vielen Leuten ist nicht klar, was ihre Zeilen bei anderen auslösen, und wie verletzten manche Worthülsen durch die virtuelle Welt rauschen.

Ganz schlimm verhält es sich bei unserem Umgang mit der Politik. Ich selbst bin nicht der größte Fan der Ampel und erkenne sehr wohl welche Fehler in diesen Zeiten gemacht werden. Die großen Politiker vergessen allzu oft die Menschen mitzunehmen und ihre Entscheidungen volksnah zu fällen. Das erzeugt Unverständnis, Wut und Hass. Das ganze gemischt mit richtigen, falschen oder gefährlichen Wahrheiten gibt eine gefährliche Spirale, der man sich nur schwer entziehen kann. Das gegenseitige Verständnis, der Blick für den anderen und die die Zivilcourage für den anderen aufzustehen wird kaum noch praktiziert.

Früher war alles besser. Wirklich? Mittlerweile ertappe ich mich immer öfter dabei, dass ich diesen Satz laut denke. Ich weiß auch nicht, wie wir aus diesem Sumpf herauskommen und wohin uns dieser Wahnsinn führt. Alles was ich weiß, ziehe ich aus meiner persönlichen Lebenserfahrung die besagt: Wählt gute Saat, gute Saat bringt gute Ernte.

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