“Denke ich an Dirmingen in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht”

Dirmingen- meine Heimat. Hier bin ich geboren, hier bin ich zu Hause. Genau hier habe ich Sprechen, Laufen, Fallen und Aufstehen gelernt. Ich kenne jeden Stein, jeden Baum und jedes Haus. Wirklich, jedes Haus? Dirmingen hat sich in den letzten Jahren maßgeblich verändert. Nichts ist mehr, wie es war! Menschen, die das Dorf aufbauten, sind verstorben oder weggegangen. Häuser und Gebäude, die das Ortsbild prägten sind zerfallen, wurden abgebrochen oder sind vom Verfall bedroht. Das Dorf leidet unter einem massiven Investitionsstau. In den letzten Jahren wurde es versäumt wichtige Bau- und Sanierungsmaßnahmen anzustoßen und auf den wegzubringen. Es gab mal eine Zeit, in der Dirmingen zu den wohlhabendsten Dörfern unserer Region gehörten. Nach der Industrialisierung wuchs die vorhandene Infrastruktur. Unternehmen wie die „Schäfer Brauerei“, die Firma Höll, die Backsteinfabrik oder zahlreiche Gaststätten prägten unser Ortsbild.

Angelehnt an das berühmte Zitat von Heinriche Heine:“ Denke ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht,“ ergeht es mir in diesen Zeiten ganz ähnlich, wie dem berühmten Dichter und Schriftsteller. “Denke ich an Dirmingen in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht”. Unzählige Probleme und sprichwörtliche Baustellen rauben mir die Ruhe und den Schlaf. Wie kommen wir gegen diesen Investitionsstau an und wer findet die passenden Antworten auf die Fragen unserer Zeit?

Ich möchte euch auf einen imaginierten Spaziergang durch unseren Heimatort mitnehmen. Starten wir in meiner alten Straße „Herrengärten“. Genau hier hat als Kind meine persönliche Reise begonnen. Wenn ich mir heute so meine alte Straße ansehe, stelle ich fest, dass nichts mehr ist, wie es einmal war. Gegenüberliegend von meinem Elternhaus steht das alte Anwesen „Spier“, daneben „Scheid“ und weiter „John“ und dann „Schwammbach“ und immer weiter so. Die Häuser haben heute gottlob allesamt neue Bewohner. Beigezogene Menschen haben die Häuser gekauft und übernommen, um sich eine eigene Existenz aufzubauen. Irgendwann erinnert nichts mehr an die alten Häusernamen. Wer war nochmal:” Schmiddjerre, Zimmermichels, Wähnersch, Hansneckels, Zimmperesch, Pitsches oder Bachhannesse”? Die alten Straßen und Häuser gibt es nicht mehr. Unser Dorf hat sich an vielen Stellen fundamental verändert. In unserer Ortsmitte steht einmal in der Woche ein Umzugswagen. Die alten sind gestorben und die Neuen bleiben oftmals nicht für immer! Gerade in der Ortsmitte findet man in den älteren Häusern einen günstigen, bezahlbaren Wohnraum. Das führt auch dazu, dass viele Menschen unseren Heimatort als eine Art Durchlaufstelle oder Zwischenstopp benutzen. Die Tatsache, dass wir in Zukunft verstärkt mit dem Klimawandel zu tun haben macht die Angelegenheit für unsere Ortsmitte auch nicht leichter. Wer möchte schon, nach den vielen verheerenden Unwettern und Hochwassern, ein Haus direkt an Als -oder Illbach kaufen und beziehen?

Wir nehmen den Weg vorbei am alten evangelischen Gemeindehaus in die Ortsmitte. Gottlob haben wir für diesen historischen Bau einen guten, neuen Eigentümer gefunden. Wir gehen über die alte Geschäftsstraße. Einst Mittelpunkt und Herzstück unseres Gewerbes. Heute kann man an einer Hand abzählen, wie viele Geschäfte es noch in unserer Ortsmitte gibt. Wir spazieren vorbei ehemaligen „Malerfachgeschäft Zimmer“, dem „Zigaretten- Walter“ bis hin zum Dorfplatz vor der evangelischen Kirche. Viele alteingesessene Geschäfte haben ihre Pforten für immer geschlossen. Auch Kassen und Banken sind im Ortskern nicht mehr zu finden. Die Rede ist von einer Zentralisierung der großen Märkte und Filialen. Unsere Ortsmitte blutet sprichwörtlich aus. Viele ältere Bauten und Häuser drohen dem Verfall und finden keinen neuen Eigentümer. Leerstände und Geschäftsaufgaben haben der Ortsmitte schwer zugesetzt. Immerhin haben wir noch eine vorhandene Infrastruktur mit einigen guten Geschäften und Gaststätten. Das Gasthaus “Schuhhannesse” erinnert uns an eine andere, bessere Zeit. Wer geht heute noch zu einem Feierabend-Bier in die Kneipe ? Heute setzen unsere Gaststätten auf die neue Event-Gastronomie. Neue Zeiten benötigen neue Antworten !

Wir bleiben vor der evangelischen Kirche in der Ortsmitte stehen. Gegenüberliegend der Kirche sollte eigentlich ein Nahversorger entstehen. Wann kommt der Neubau und kommt er überhaupt? Es beschleicht uns unwillkürlich das Gefühl in einer Warteschleife zu stehen. Wir sehen unsere Problemstellen, finden keine Lösungen und kommen nicht voran. Das evangelische Gemeindehaus müsste eigentlich saniert werden. Seit seinem Neubau im Jahre 1963 hat sich das Gebäude kaum verändert. Wichtige Investitionen, die unsere neue evangelische Kirchengemeinde St. Wendel-Illtal nur schwerlich allein stemmen kann. Das evangelische Gemeindehaus könnte wunderbar als Dorfgemeinschaftshaus dienen. Man muss es nur wollen und gemeinsam angehen. Ich sehe meinen Traum von einem Dorfgemeinschaftshaus dahinschmelzen.

Wir gehen weiter den Brauereiberg hinauf in Richtung Gänseberg „Tholeyerstraße“. Wann fällt uns bezüglich dieser klaffenden Wunde in unserer Dorfmitte endlich eine Lösung ein. Es scheint als wäre dem Dorf, mit dem Abbruch der Brauerei, das Herz aus dem Leibe gerissen worden. Sogar Fremde beschleicht unwillkürlich das Gefühl, dass an dieser Stelle etwas fehlt. Wir gehen hinauf zur großen Gottesburg und dem katholischen Pfarrzentrum. Werden wir in 10 Jahren noch zwei Kirchengemeinden in unserem Dorf finden? Beide Kirchen haben mit ihren Problemen zu kämpfen: Mitgliederschwund, Gebäudemanagement und Skandale rütteln an der ehemaligen, starken Institution Kirche. Während die evangelische Kirchengemeinde bereits ihre Fusion zur Evangelischen Kirchengemeinde St. Wendel-Illtal vollzogen hat, steht der pastorale Raum Lebach vor richtungsweisenden Entscheidungen. Wohin führt der Weg? Müssen wir um unsere Kirchengebäude bangen? Werden wir in einigen Jahren damit beschäftigt sein unsere leerstehenden Kirchen zu veräußern. Der Gedanken eine unserer beiden Kirchen zu verlieren stimmt mich traurig. Wer um Gottes Namen kauft eine Kirche? Wir müssen alles dafür tun, um unsere Kirchen sprichwörtlich im Dorf zu lassen. Aber wie, um Gottes Namen, soll das alleine Gelingen ?

Wir gehen vorbei an der “Rotenbergschule” in Richtung Reservistenheim. Gegenüberliegend des vorhandenen Siedlungsgebietes auf dem Rothenberg soll in absehbarer Zeit ein neues Siedlungsgebiet erschlossen werden. Erste kritische Stimmen werden laut und fordern dieses Vorhaben zu überdenken. Darf oder kann man so einfach so eine solche Chance ungenutzt liegen lassen. Was ist mit den Menschen die verzweifelt nach einem Baugebiet suchen? Ich denke an die Ortsmitte. Während dort im Ortszentrum immer mehr Leerstände entstehen, verbreitern wir unser Dorf. Ist das der richtige Weg? Was ist mit der Verkehrsanbindung und den engen Straßen zum Rothenberg. Dabei wurde der Weg zum Siedlungsgebiet “Rotenberg 2” nicht erst im Frühjahr dieses Jahres entschieden. Seit Jahren ist bekannt, dass an Ort und Stelle ein neues Siedlungsgebiet erschlossen werden soll. Jetzt wo es aktuell wird, steigen Sorgen und Ängste. Ich kann Befürworter und Kritiker gut verstehen. Hoffentlich verlieren wir in der bevorstehenden Debatte nicht unsere gute Kinderstube.

Wir gehen zurück über den “Höppesbüsch” hinunter zu “Thalexweilerstraße”. Überall in unserem Dorf befinden sich kaputte, sanierungsbedürftige Straßen mit vielen Löchern und gebrochenem Asphalt. Das ganze Angelegenheit gipfelt in der Straße „Am Render“. Seit Jahrzehnten ist diese Straße sanierungsbedürftig. Immer wieder wurden Sanierung arbeiten wegen dem bevorstehenden Glasfaserausbau oder der Entstehung neuen Baugebiets verschoben. Mit welchem Geld möchte die deifiziere Gemeinde Eppelborn ihre gemeindeeigenen Straßen in den Griff bekommen? Vielerorts müsste man die Straße komplett aufbrechen und komplett neu sanieren. Das ständige Ausbessern reicht längst nicht mehr aus. Vom „Render“ aus nehmen wir die “Böllingerstraße” und gehen vorbei an der Grundschule Dirmingen. Die Schule müsste dringend den Ansprüchen der FGTS angepasst, also vergrößert werden. Die beiden in Dirmingen befindlichen Kindergärten und Krippenplätze machen Hoffnung. Wir überqueren die Brücke über die Alsbach und nehmen die steile Treppe hinauf zur Borrwieshalle. Die Halle wurde 1961 erbaut und wird seitdem in dem vorhandenen Rahmen genutzt. Eine Sanierung ist mehr als überfällig. Mit großer Sorge denke ich an die Zeit in der die Halle aus sanierungsgründen nicht zur Verfügung stehen wird. Wohin mit unseren Vereinen, Gruppen, Kreisen und Kindern ? Wo feiern wir unsere Konfirmationen, Kommunionen oder Geburtstage ?

Wir gehen über den Festplatz am Brühl und schauen hinüber zum sanierten Brühlpark. Besonders im Sommer dient uns der Brühlpark als Anlaufstelle und Ruhepol. Welches Dorf verfügt schon über einen solchen wunderschönen Kleinod in der zentralen Ortsmitte. Seit der Sanierung des Parks haben wir jedoch immer öfter mit Vandalismus zu kämpfen. Nicht nur im Brühlpark werden Gegenstände beschmiert oder zerstört. Überall in unserem Dorf wird fremdes Eigentum sinnlos mit „Füßen getreten“. Müll und Unrat wird einfach auf Flur und im Wald entsorgt. Unsere Natur leidet unter dem Verhalten zahlreicher, uneinsichtiger Zeitgenossen.

Wir gehen über die „Illingerstraße“ und biegen irgendwann rechts ab zur „Humeserstraße“. Genau dort, wo noch im letzten Jahr eine alte Eisenbahnbrücke stand, befindet sich nun ein großes, gähnendes Loch. Das Siedlungsgebiet „An der Hardt“ und „Humeserstraße“ ist praktisch vom Ortskern abgeschnitten. Die Menschen müssen seit dem Brückenrückbau erhebliche, persönliche Einschnitte hinnehmen. Warum kostet diese Brücke 4,- Mio. Euro und warum ist es ein solches Problem den Menschen zeitnah zu helfen. Genau an dieser Stelle wird es schwer den Glauben an das Gute und an unsere Politik, Verwaltung und auch an die Deutsche Bahn zu bewahren.

Über Umwegen wandern wir den „Hundsberg“ hinauf bis an die ehemalige „Schöne Aussicht“. Beim Vorbeigehen schauen wir kurz in die „Waldstraße“ und nehmen bedrückt zur Kenntnis, wie stark der Verkehr in dieser Straße zugenommen hat. Was ist in einem Notfall ? Werden Feuerwehr und Hilfskräfte problemlos durch diese enge Straße fahren können ? An der „Schönen Aussicht“ angekommen fällt es uns zunächst schwer die Natur zu genießen. Viele Bäume hat der Borkenkäfer zerstört und spätestens beim Blick auf das ehemalige „Alte Denkmal“ fällt uns auf, dass wir überhaupt nichts mehr im Griff haben. Der Zahn der Zeit nagt auch an unseren historischen Hinterlassenschaften. Auch die Wassertretanlage befindet sich in einem höchstens mäßigen Zustand. Von dem schönen Naherholungsgebiet „Steinrausche“ ist nicht mehr viel übrig.

Wir blicken über das Tal hinüber zum Finkenrech. Dort scheint die Welt noch in Ordnung. Gottlob wurde ein neues Pächterpaar gefunden und der TKN des Landkreises Neunkirchen hat die „Grüne Perle“ Finkenrech schön aufpoliert. So weit das Auge reicht, sehen wir Windräder und Fotovoltaikanlagen. In keinem Ort in unserer Gemeinde finden wir mehr neuer bare Energien als in Dirmingen. Kein Ort in unserer Gemeinde hat aber auch mehr Land zu bieten. Durch die Anlagen und Windräder hat sich unsere Landschaft verändert. Ist das nun gut oder schlecht? Neuer bare Energien sind sicherlich zu begrüßen. Alles andere liegt im Auge des Betrachters !

Wo fangen wir an und wo hören wir auf ? Enden wird es irgendwann einmal für jeden von uns auf dem Friedhof. Auch dort muss zukünftig viel Geld investiert werden. Unlängst hat eine über 100 jährige Mauer ihre Festigkeit verloren und ist umgestürzt. Gottlob ist nichts passiert und Niemand ist zu schaden gekommen. Wer aber zahlt die Zeche ? Der Bau einer neuen Mauer ist unausweichlich. So wie es ist, kann es nicht bleiben !

Nein, nicht alles ist schlecht im “Derminga Dörfche”. Vieles liegt jedoch im Argen. Bleibt die Frage, wie wir die Kurve bekommen und unsere Baustellen angehen können. Wir brauchen Glück und Geld. Unsere Heimatgemeinde kann sich längst nicht mehr selbst über Wasser halten. Ohne Investoren und Geldgeber werden wir auch zukünftig Probleme haben, uns über Wasser zu halten. Wo fangen wir an und wie gehen wir es an? Eine Lösung liegt aus meiner Sicht im Suchen von Alternativen und stellen von Förderanträgen. Zentrale Zusammenlegungen, Nutzungen von alten Geschäftsräumen, Schaffung von neue Geschäftsmodellen, auch in Puncto Nahversorgung. Und beim Thema Kirchen ? Wäre irgendwann vielleicht einmal wieder eine Simultankirche eine Möglichkeit ?

Denke ich an Dirmingen in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht! Warum lohnt es sich hier zu bleiben und zu leben? Ich für meinen Teil bin nicht bereit meine Heimat aufzugeben. Ich sehe eine immer noch gut funktionierende Dorfgemeinschaft, viel Ehrenamt, gute Vereine und immerhin noch ein attraktives Angebot an Gewerbe und gut laufenden Gaststätten. Ich sehe wunderschöne Wälder, Landschaften und eine herrliche Dorfkultur. Ich sehe aber auch Menschen, die immer öfter unzufrieden dreinschauen. Unsere Vereine haben es zusehends schwerer sich zu behaupten. Vereinseigene Gebäude, das Feuerwehrgerätehaus, das Kleinspielfeld oder das Belkerstadion benötigen immer wieder Finanzspritzen. Überall fehlt Geld zum Investieren. Wie also finden wir den richtigen Weg um unsere Heimat zukunftsfähig zu gestalten. Zuerst einmal sollte man nicht die Augen vor den vielen bestehenden Problemen verschließen. Wir brauchen den Mut neue Wege einzuschlagen und auch mal schmerzliche Einschnitte hinzunehmen. Wir müssen bereit sein Kompromisse einzugehen und Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Manchmal muss es wehtun, bevor es gut werden kann. Am allermeisten benötigen wir jedoch Innovation, Glück und Geld.

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