Volkstrauertag 2024 – Nie wieder, ist jetzt!
Der Volkstrauertag wurde nach dem 1. Weltkrieg als Gedenktag an die Opfer des Krieges eingeführt. Dieser stille Gedenktag findet jedes Jahr zwei Sonntage vor dem ersten Advent statt. Somit fällt der Volkstrauertag zwischen die katholischen Gedenktage Allerheiligen/Allerseelen und den protestantischen Totensonntag. Seinen Ursprung hat der Volkstrauertag im Gedenken an die getöteten Soldaten des Ersten Weltkrieges. Nach Kriegsende 1918 setzen sich unter anderem der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Politiker und Vereine für das Gedenken an die gefallenen deutschen Soldaten ein. Damals ging es in erster Linie um Heldenverehrung und Anteilnahme der Angehörigen. Nach dem Waffenstillstand im Jahr 1945 war die Erinnerungskultur im geteilten Deutschland zunächst unterschiedlich ausgeprägt. Die Bundesrepublik verlieh dem Volkstrauertag im Jahre 1952 den Status eines gesetzlichen Gedenktags. An diesem Tag sollte das Opfer von Krieg, Terror und Gewalt erinnert werden.
Der Volkstrauertag hat in den letzten Jahren an Aktualität hinzugewonnen. In unserem Heimatort Dirmingen mussten während der beiden Weltkriege fast 300 Menschen ihr Leben lassen. Darunter waren Soldaten, Familienväter, junge Männer und zahlreiche Opfer aus der Zivilbevölkerung. Auch Frauen und Kinder kamen während den verheerenden Bombenangriffen auf Dirmingen zu Tode. Heute müssen wir mehr als zuvor fürchten, dass unsere Soldaten wieder für unsere demokratische Freiheit kämpfen müssen. Der Volkstrauertag bleibt aus meiner Sicht ein wichtiger Tag gegen das Vergessen. Mit dem Bau eines neuen Mahnmals auf dem Dirminger Friedhof, im Jahre 2016, hat der Ortsrat Dirmingen beschlossen wieder eine offizielle Kranzniederlegung durchzuführen. Dabei wird der Ortsrat immer von den beiden Kirchengemeinden, dem evangelischen Posaunenchor Dirmingen und der Reservistenkameradschaft Illtal unterstützt. Wir haben in Dirmingen auch am diesjährigen Volkstrauertag, dem 17.November 2024, einen Ehrenkranz für unsere Kriegsopfer niedergelegt. Ich bin freue mich sehr darüber, dass der Ortsrat an dieser Tradition der Kranzniederlegung zum Volkstrauertag festhält. Schön, dass dabei immer noch zahlreiche Menschen aus der Dorfgemeinschaft an dieser Zeremonie teilnehmen.
Der Volkstrauertag hat auch für mich persönlich einen hohen Stellenwert. Mein Großvater und mein Ur-Großvater starben während des ersten beziehungsweise zweiten Weltkrieges für das Vaterland. Für meinen Vater ist der Volkstrauertag bis heute ein wichtiger Gedenktag. Mein Vater hat seinen „alten Herren“ nie persönlich kennengelernt. Was würde mein Ur-Großvater Artur Klein sagen, wenn er heute sehen würde, wie in Europa erneut Krieg geführt wird?
Als Kind musste ich immer mit zur Kranzniederlegung an das Denkmal am „Hundsberg“. Wenn wir uns heute das altehrwürdige Denkmal so ansehen, fällt uns offensichtlich nicht mehr viel ein. Die komplette Anlage ist verwildert und das Denkmal, mit seinen Sträuchern, in einem erbärmlichen Zustand. Haben wir das so gewollt? Konnten wir nicht vorhersehen, dass mit dem Bau eines neuen Denkmals noch weniger Wert auf das alte Mahnmal gelegt wird? Ich persönlich empfinde diesen Anblick des alten „Hundsberger“ Denkmals beschämend und entwürdigend. Nein, das war eigentlich nicht der Plan.
Aber wie können wir verhindern, dass dieses historische Bauwerk, aus dem Jahre 1955, völlig verfällt und als Ruine im Wald dahinbröckelt? Guter Rat ist teuer. Die Gemeindeverwaltung hatte es schon damals nicht geschafft sich regelmäßig um die Anlage zu kümmern. Der Versuch einen „Pflege-Paten“ zu finden, musste ebenfalls aufgegeben werden. Eigentlich haben wir mit dem Bau eines neuen Mahnmals, auf dem Dirminger Friedhof, das alte Mahnmal zum Verderben verurteilt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es richtig und gut war ein neues Denkmal gegen das Vergessen auf dem Friedhof zu errichten. Dennoch macht mich der Zustand des alten Mahnmals fassungslos und auch etwas traurig.
Bereits am 28.August 1928 wurde das erste Denkmal an gleicher Stelle auf dem Hundsberg eingeweiht. Dieses Denkmal stand auch während des zweiten Weltkrieges und verfiel im Laufe der Jahre ebenfalls in einen erbärmlichen Zustand. Als dieses erste Dirminger Mahnmal zu Beginn der 1950-ger Jahre baufällig geworden war, musste es von der Verwaltung zurück gebaut werden. Nach großem ehrenamtlichem Einsatz wurde ein neues Denkmal an gleichem Ort in Auftrag gegeben und erbaut.
Am 06.November 1955 fand die Einweihung dieses heutigen Denkmals auf dem Hundsberg statt. Im Frühjahr des Jahres 1965 wurden angefertigte Namenstafeln an einer Mauer hinter dem Denkmal angebracht. Im Frühjahr des Jahres 2014 wurde das Denkmal geschändet und die Namenstafeln abgebrochen und gestohlen. Fast 60 Jahre diente das alte Bauwerk im Naherholungsgebiet Steinrutsch der Erinnerung an die Opfer der beiden Weltkriege. Mit der Schändung des Denkmals endete praktisch diese Ära.
Für die Menschen in unserem Dorf war diese Schändung des Mahnmals eine herbe Enttäuschung. Nachdem der Ortsrat schnell dem Bau eines neuen Mahnmals auf dem Friedhof zustimmte, machten sich viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer daran das Werk in die Tat umzusetzen. Im Jahre 2016 wurde das neue Denkmal errichtet und feierlich mit einer Kranzniederlegung eingeweiht. Kurz zuvor wurden in der Einsegnungshalle neue Namenstafeln aufgehängt.
Die Menschen in Dirmingen haben sich schon immer sehr mit ihrer Erinnerungskultur beschäftigt. Beim stöbern in alten, historischen Unterlagen habe ich Entwürfe und Baupläne entdeckt. Das Denkmal auf dem Hundsberg sollte eigentlich ganz anders aussehen. Im Dorf entfachte jedoch schnell eine Diskussion, ob dieses Bauwerk nicht zu prächtig um heroisch wirkt. Schließlich entschied man sich damals dazu, einen schlichtes Denkmal zu errichten. Die Idee für jeden gefallenen Soldaten einen Baum vor dem Denkmal zu errichten wurde damals umgesetzt. Heute wissen die wenigsten von uns, dass jeder der Bäume vor dem alten Denkmal auf dem Hundsberg für ein Menschenleben steht.
Bleibt die Frage, wie wir mit dem alten Denkmal auf dem Hundsberg umgehen? Der Ortsrat Dirmingen hat die Aufwertung des Naherholungsgebietes Steinrausch schon lange auf seiner Agenda. Letztendlich fehlt es an Geld! Bei der angespannten Haushaltslage unserer Gemeinde muss man genau hinsehen, welche Investitionen Sinn ergeben und umsetzbar sind. Dabei bleiben viele Herzensprojekte auf der Strecke. Wir stehen vor diesem Problem seit Jahren wie ein Kaninchen vor der Schlange. Es fehlt an Innovation, Geld und Einfallsreichtum. Vielleicht bringt uns der diesjährige Volkstrauertag neue Erkenntnisse und neue Ideen. Guter Rat ist teuer!
Hier meine Rede zur Volkstrauertags Zeremonie 2024:
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste, liebe Mitglieder des Orts- und Gemeinderates, liebe Frau Pfarrerin Heike Schmidt, lieber Herr Pastor Dechant Thieser, liebe Freunde der Reservistenkameradschaft Illtal, der Freiwilligen Feuerwehr Dirmingen und des evangelischen Posaunenchors Dirmingen,
„Es gibt so viele verschiedene Welten. So viele verschiedene Sonnen Und wir haben nur eine Welt Aber wir leben in ganz verschiedenen Welten. Aber es steht im Sternenlicht geschrieben Und in jeder Handlinie von euch, Dass wir Dummköpfe sind, wenn wir Krieg führen Gegen unsere Brüder (die verfeindet sind)“ Mit dieser Liedzeile aus dem Song „Brothers in Arms“ von Dire Straits möchte ich Sie heute Nachmittag hier auf dem Freidhof in Dirmingen an unserem Mahnmal ganz herzlich willkommen heißen.
Am heutigen 17. November 2024, dem Volkstrauertag, wird hier am Ehrenmal auf dem Dirminger Friedhof den im Dienst gefallenen und verstorbenen Angehörigen der Bundeswehr gedacht. Wir gedenken außerdem allen Opfern von Krieg, Terror und Gewalt. Unsere Zeremonie der Kranzniederlegung bietet auch Raum für persönliches Gedenken. Jeder oder Jede von uns hat in einem der beiden Weltkriege ein Familienmitglied oder einen geliebten Menschen verloren.
Der Volkstrauertag wird seit dem 1. Weltkrieg jährlich als sogenannter stiller Feiertag begangen. Wir erinnern und also in diesem Jahr an den 110. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges. Es scheint so, als würde dieser stille Feiertag an Aktualität niemals verlieren. Auch heute noch über 100 Jahre später müssen wir für den Erhalt des Friedens eintreten.
Der heutige Tag des Gedenkens dient der Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt. Wir sollten uns bewusst machen, welches Leid und welche Zerstörung Kriege mit sich bringen. In Europa herrscht Krieg! Der Volkstrauertag 2024 bietet einen wichtigen Anlass, um die Bedeutung der Erinnerung und des internationalen Friedens in den Vordergrund zu rücken. Wenn wir uns die aktuellen Entwicklungen in der Welt, in Europa und in unserem Land anschauen, gibt es genügend Gründe sich zu sensibilisieren.
Mehr als 3.300 Bundeswehrangehörige sind seit der Gründung der Bundeswehr im Jahre 1955 in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommen, 116 von ihnen starben im Auslandseinsatz oder in anerkannten Missionen. In den letzten Jahren ist der Krieg langsam und schleichend in unsere Wohnzimmer zurückgekommen. Wir fürchten, dass unsere Soldaten in Zukunft verstärkt zu den Waffen gerufen werden. Die Angst vor einem neuen Weltkrieg und einem Nuklearkrieg ist allgegenwärtig und seltsamerweise näher als je zuvor. Der Holocaust- Überlebende Max Mannheimer sagte einmal: „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht. “ Sind wir im Begriff zu versagen?
Heute Gedenken wir auch den vielen Zivilisten darunter Familien und Kinder, die beispielsweise in der Ukraine oder im Gaza-Streifen unter den Kriegswirren leiden. Das alles gab es auch hier bei uns in unserem Dorf. Nach dem ersten Weltkrieg musste unser Heimatort Dirmingen 55 Menschenopfer beklagen. Dabei handelte es sich in diesem Krieg überwiegend um Soldaten, die an der Front starben. Der zweite Weltkrieg riss noch größere Wunden in unseren Heimatort. Am Ende verloren 182 Menschen in den Kriegswirren ihr Leben. Im Frühjahr des Jahres 1945 war für die Bevölkerung unseres Heimatortes der Krieg zu Ende. Am Ende des zweiten Weltkrieges war unser Heimatort mit 25 Fliegerangriffen die meist bombardierteste Ortschaft unseres Landkreises.
Von der Widerstandskämpferin Sophie Scholl, die ich persönlich sehr schätze und verehre stammt das Zitat; «Ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von anderen Menschen. Ich kann es nie begreifen und ich finde es entsetzlich. Sag nicht, es ist für’s Vaterland.»
Dieses Mahnmal soll uns immer wieder seine wahre Botschaft vor Augen führen: Nie wieder Krieg! JETZT ist Nie wieder! Lassen Sie uns unmittelbar nach der Kranzniederlegung bei der Musik des Posaunenchors ein persönliches Zeichen des Friedens setzen. Reichen wir uns die Hände und setzen ein gemeinsames Zeichen für Frieden, Menschlichkeit und Freiheit.
In Gedenken an die Opfer von Krieg, Terror, Fremdenhass und Gewalt insbesondere auch in unserem Heimatort Dirmingen legen wir im Namen unserer Dorfgemeinschaft und des Ortsrates Dirmingen diesen Ehrenkranz nieder.