Der Weg von der historischen Kirchmess zu einer weltliche „Kerb“
„An des Kirchbergs sanftem Hange legten sie das Fundament, fügten Stein zu Stein und führten so das Werk zu gutem End. Und dann ward die Kirch geweihet in dem Namen, der allein hier verkündet und gepriesen soll in allen Dingen sein“.
(Auszug aus der evangelischen Kirchenchronik)
Karussells, Buden, Zuckerwatte oder Popcorn gehören fest zu einer herkömmlichen Kirmes. Wobei, in vielen Dörfern gibt es heute schon längst keine Kirmes mehr. Gemäß dem Motto „Höher, schneller, weiter“ zieht es viele Familien zu den großen Freizeitparks unseres Landes. Auf der anderen Seite suchen viele Schausteller die großen Märkte, Feste oder Kirmessen. Die Entwicklung der Dorf Kirmessen wurde in den letzten Jahren massiv ausgebremst. Für die Organisatoren einer Kirmes wird es immer schwieriger Schausteller zu gewinnen.
Das Wort „Kirmes“ ist die Kurzform von „Kirchmess“ – einem Fest zur Einweihung einer Kirche. Bei der Dirminger „Kerb“ handelt es sich also um ein Kirchweihfest im eigentlichen Sinne. Aus dem einstmaligen Kirchweihfest entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte die Veranstaltung mit Buden und Karussells, wie wir sie heute kennen. Früher durfte an der „Kerb“ niemand arbeiteten. Für die Bauern waren es sogar die einzigen freien Tage im Jahr. Es war ein Fest für die ganze Familie. Bis heute ist es laut Volksmund guter Brauch, das eigene Land, Wiesen und Gärten bis zur „Kerb“ gemäht oder bewirtschaftet zu haben. Der bekannte Baumeister Friedrich- Joachim Stengel erbaute die barocke Kirche in der Ortsmitte. Ganz nebenbei erschuf der berühmte Architekt so bekannte Werke wie z.B die Ludwigskirche, die Kirche St. Johann Saarbrücken und den Neubau des Schlosses in Saarbrücken. Ob der Baumeister jedoch jemals selbst in Dirmingen zugegen war, um sein Werk zu begutachten, ist nicht belegt. Sicher ist, dass die Baupläne nachweislich aus der Feder des berühmten Meisters stammen.
In den letzten 300 Jahren hat sich die Kirmes maßgeblich verändert. Der religiöse Hintergrund ging zusehends verloren. Irgendwie spiegelt diese Entwicklung unseren Zeitgeist wider. Schade, immerhin schafft die Kirmes eine Plattform für Tradition, Kultur und Kirche. Mit der Kirmes verbinden wir den Geruch von Popcorn, gebrannten Mandeln und vielen blinkenden Lichtern. Tatsächlich steckt hinter dem Volksfest „Kirmes“ vielmehr, als wir alle ahnen können. Neben dem wichtigen kirchlichen Hintergrund geht es um Dorfkultur und gelebten Traditionen.

Mit ein paar Karussells lockt man heute keine Menschenmassen mehr an. Früher versammelten sich zum Gedenken an die Einweihung der eigenen Dorfkirche das ganze Dorf. Auf dem Dorfplatz wurde zusammen und ausgelassen gefeiert, getanzt und gegessen. Jahrhundertelang war die Kirmes ein Fest für die ganze Familie. In der Zeit, in der es noch keine Karussells oder Schausteller gab, wurden Artisten oder Jongleure engagiert. Im 19. Jahrhundert begann die aktive Teilnahme am bunten Kirmestreiben. Die ersten Karussells, Schaukeln oder Buden etablierten sich zusehends. In Deutschland entwickelte sich eine blühende Karussellindustrie. Im Jahre 1926 kamen die ersten Autoscooter über den großen Teich zu uns auf die Kirmessen und Jahrmärkte unserer Region.
Es soll Zeitgenossen geben, die eine Dorfkirmes oder das Eigentum anderer nicht mehr wertschätzen. Im Vorfeld zu der diesjährigen 276.“Derminga Kerb“ haben einige unbelehrbare Vandalen einige unserer Karussells beschädigt, beschmiert und einige Buden aufgebrochen. Besonders dienlich ist ein solches Verhalten nicht ! Die einen kämpfen über das ganze Jahr dafür, dass wir eine schöne Kirmes feiern können, die anderen treten dieses Engagement mit Füßen. Schade !


Die Kirmes oder „Kerb“ hat viel mit den regionalen und kulturellen Gegebenheiten zu tun. Fundamentiert ist die vorhandene Kirmeskultur in dem Bewusstsein das eigene Dorfkirchlein zu feiern. Von mir aus auch das vorhandene Patronat einer Kirche. Ein jeder nach seiner Fasson. Das Sprichwort „Die Kirche im Dorf lassen“ findet gerade zur Kirmes eine neue Bedeutung. Es geht um das eigene Dorf, die dortige Kultur und auch die damit verbundene Sprache, den heimischen Dialekt.
Das in den frühen 1960-ger Jahren abgebrochene historische „Kläse Haus“ dürfte eines der letzten Zeitzeugen aus der Epoche der eigentlichen Kirchweihen gewesen sein. In historischen Quellen wird davon berichtet, dass das alte “Kläse-Haus“ zum Zeitpunkt des Abrisses über 400 Jahre lang in der Ortsmitte stand. Im Volksmund entstand ein Mythos, der sich bis heute gehalten hat. Obwohl heute nur noch der alte Gewölbekeller existiert, ist die Geschichte des ehemaligen “Kläse-Hauses“ eng mit der Geschichte unseres Heimatortes verbunden. Der heutige „Kläse Keller“ ist das letzte, was an das alte „Kläse Haus“ erinnert. Früher diente der Keller als “Hähloch“ und in Kriegszeiten als “Luftschutzkeller“. Heute dient der historische „Kläse-Keller“ dem Kulturverein Dirmingen zu diversen kulturellen Zwecken. Im „Kläse-Keller“ wird das „Kerwe-Lisje“ wachgeküsst, werden Weihnachtsbäume verkauft oder werden kleinere Feierlichkeiten durchgeführt. Gerade im zweiten Weltkrieg diente der Keller als Luftschutzraum. Dieser Luftschutzraum diente jedoch in erster Linie der psychologischen Beruhigung der Menschen. Bei einem tatsächlichen direkten Treffer hätte der Keller wohl kaum geholfen. Gottlob gehören die Zeiten des Krieges der Vergangenheit an, oder etwa nicht? Von einem Weltfrieden sind wir meilenweit entfernt.

Der „Kläse Keller“ ist ein historisches Schmuckstück, das der dorfeigenen Kultur dient. Auch zur 279. „Derminga Kerb“ wird das „Kerwe-Lisje“, in diesem modrigen Gemäuer wachgeküsst. Dabei ist es in jedem Jahr aufs Neue die Frage: Wer personifiziert in diesem Jahr die „Kerb“? Im Jahr 2000 wurde dem feierwütigen Volk aus Dirmingen erstmals ein „lebendiges“ „Kerwe-Lisje“ präsentiert. In den ersten Jahren war das „Kerwe-Lisje“ noch auf sich allein gestellt. Erst im Jahre 2003 nahm erstmals ein „Kerwe-Hannes“ Platz an der Seite des „Lisjes“. Der Kulturverein investiert seitdem viel liebe Mühe in die Aufwertung der „Kerb“. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende wurden die bekannten „weiß-blauen Musketier-Kostüme“ zum Markenzeichen der Kulturaner. Die blauweißen Farben des Kostüms erinnern an die Wappenfarben unseres Heimatortes Dirmingen. Musketiere standen im 18. Jahrhundert, zur Zeit des Kirchbaus, für Patriotismus, Zusammenhalt, Ehre, Treue und Loyalität. Mit diesen Eigenschaften kann sich der Kulturverein zur eigenen „Kerb“ gut identifizieren.
Die „Kerb“ hat einen festen Platz in unserem Ortskalender. Wie erhalten wir die „Kerb“ und wie gelingt es uns die Schausteller auch weiterhin in unser Dorf zu locken? Eine Dorfkirmes für die Schausteller attraktiv zu machen ist eine gewaltige Aufgabe. Viele Schausteller gehen lieber auf die großen Martini-Kirmessen oder die ersten Weihnachtsmärkte. Wir werden in diesem Jahr alles geben, um einen Erfolg zu ermöglichen. Das Festzelt kann dafür sorgen, dass es am Ende auch den Schaustellern gut geht. Wir müssen das Angebot war nehmen und Teil dieses kultigen Dorffestes werden.


Unsere Kirchen sind fester Bestandteil des bunten Kirmestreiben. In den Kirchen liegt der Ursprung und die Tradition. Die Zeiten von kirchlicher Rivalität müssen endlich ein Ende haben. Wäre es nicht schön einmal in der Ökumene gemeinsam „Kerb“ zu feiern ! Die katholische Pfarreiengemeinschaft Eppelborn- Dirmingen feiert am Kirmessamstag um 18:30 Uhr in der eigenen Pfarrkirche eine Kirmesmesse zu Ehren ihres Patronats dem heiligen St. Wendelinus. Anschließend findet ein gemeinsamer Umtrunk statt. Der heilige Wendelin ist Patron der Schäfer, Bauern und der Viehzucht. Dirmingen als ehemals wohlhabendes Bauerndorf passt absolut zu diesem Patronat. Der Gedenktag des heiligen Wendelin ist der 21. Oktober.

Die Evangelische Kirchengemeinde St. Wendel- Illtal wird am Kirmessamstag um 14:30 Uhr ihren Kirchweih-Gottesdienst feiern. Nach dem Gottesdienst wird im evangelischen Gemeindehaus Kaffee angeboten. Am Sonntag, 06. November 1746, fand nach nur kurzer Bauzeit die Kirchweihe der neuen Kirche in der Ortsmitte statt. Pfarrer Engel beschreibt in seinen Memoiren ausführlich die Einweihungsprozession. Die Niederschriften berichten, dass an diesem Sonntagmorgen um 11:00 Uhr die Kirchengemeinde geschlossen in ihre neue Kirche einzog. Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen war damals Pfarrer Philipp Heinrich Wagner. Zu seiner Unterstützung war der damalige Kirchen-Inspektor Woytt angereist. Der Weihpredigt von Inspektor Woytt lagen die Verse 8-10 aus dem Buch Haggai zu Grunde:“ Mein ist das Silber und mein ist das Gold, spricht der Herr Zebaoth. Es soll die Herrlichkeit dieses neuen Hauses größer werden als die des ersten gewesen ist, spricht der Herr Zebaoth. Und ich will Frieden geben an dieser Stätte, spricht der Herr Zebaoth.“
(*Buch“ Gedenket den vorigen Tagen Seite 54)
Die Copia des angeschlagenen Bauverses der Zimmerleute, die im Jahre 1746 den Bau unserer Evangelischen Kirche in der Ortsmitte vollendeten, gehört zu den historisch wertvollen vorliegenden Niederschriften. Damals war es ein Brauch der Zimmerleute, zum Richtfest, einen Vers anzuschlagen.
Textauszug: (In der originalen Fassung)
„Geehrte Gegenwart! Der Bau ist aufgericht, Den unsere Christen Sprach, so weit wir selbe kennen, Pflegt einen Kirchen-Bau und Gottes Hauß zu nennen. Nun fordert endlich noch der Zimmerleuthe Pflicht, Daß wir nach Handwerks Brauch, wann alles aufgeschlagen, So fort den letzten Spruch von dessen Gipfel sagen.
Wir danken deiner Macht, die vor Gefahr geschützt, Wir rühmen deine Güt, die sonder Ziel und Ende, Durch diese ganze Zeit, die Arbeit unserer Hände, Von allen Seiten her mit Seegen unterstützt. Wir preisen deine Gnad, die an uns arme denket, Und unsere Fürsten Hertz zu diesem Bau gelenket.
Zieh auch den Seegen nicht von diesem Bau zurück, Laß uns nun balden ihn Vollendung sehen, Daß deine Christen-Schar zum Dank und lobe stehen, Und dich stets preisen mag vor solchen Gnadenblick. Wir überlassen ihn zu deinen treuen Händen, Du wirst all Ungemach von seinem Gipfel wenden.
Drauf schwing ich diesen Strauß noch dreymal über mir, Steck ihn an seinen Platz und nehm die bunde Gaben, Die andre zum Geschenk darum gewunden haben, Mit frohen Händen ab, Und setze nach Gebühr, Den letzten Wunsch hinzu: Dass dieser Bau vor allen Dem grossen Gott und auch dem Fürsten mög gefallen.“

