Vom seltsamen „Recht zum Kehrens“ und anderen Dienstleistungen an der Kirche

Besonders im Mittelalter wurde das Leben der Menschen durch die Kirche geprägt. Dabei spielte die eigene Perspektivlosigkeit, die schlechten Lebensbedingungen und mangelnde Hygiene eine gewichtige Rolle. Schlimme Krankheiten und Pandemien gehörten zur Tagesordnung. Die Menschen glaubten damals fest daran, dass der Weg in Gottes Reich einzig und allein über die Kirche führt. Die Kirche und allen voran der Papst bestimmten das Weltbild der Menschen. Dabei spielten die Kirchen Oberhäupter mit den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung. Der Umgang mit Krankheiten wie Pest oder Cholera wurde von Glauben, Aberglaube und Tradition geprägt. Krankheiten wurden nicht selten als Strafe Gottes oder Werk des Teufels dargestellt.

Schon sehr früh nutzte die Kirche ihre Einnahmen für den Bau von Gotteshäusern. Bis heute zeugen mächtige Bauten von der uneingeschränkten Macht der Kirche. Nach dem 30-jährigen Krieg begann ein regelrechtes Wettbauen. Jedes Dorf drängte mit Macht auf eine eigene Kirche. In der Grafschaft Nassau-Saarbrücken, zu der auch unser Heimatort gehörte, wurden im 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche Kirchen errichtet. Auch in der Grafschaft Lothringen wurde mit Nachdruck Kirchenbauten aus dem Boden gestampft. Es schien, als hätten die Menschen nichts aus der Geschichte gelernt,

Bereits bereits im Spätmittelalter kam es wegen dem Alleinstellungsmerkmal der Kirche zunehmend zu Spannungen. Das Ganze gipfelte bekanntlich in der Ausgabe von Ablasspapieren und endete in Luthers Reformation. Der Dreißigjährige Krieg ging als Konfessionskrieg in die Geschichtsbücher ein. Am Ende kämpften Deutsche gegen Schweden und Franzosen, Protestanten gegen Protestanten, Katholiken gegen Katholiken. Einfach jeder gegen jeden. Nicht selten kämpfte ein Söldner im Verlaufe des Krieges für mehrere Truppen oder Konfessionen. Gegen Ende des Krieges wusste niemand mehr so recht wofür man gerade kämpfte. Dabei ging es bei diesem Krieg ausschließlich um die politische Macht in Mitteleuropa. Natürlich ging es am Ende aber auch um die Vormachtstellung der Kirche. Beide Konfessionen schenkten sich nichts und durften am Kriegsende mindestens fünf Millionen Menschenopfer beklagen. Als hätte man nicht genug Lehren gezogen, suchte die Bevölkerung nach dem 30- jährigen Krieg erneut die Nähe zur Kirche. Dies zeigt sich auch, wie bereits erwähnt, im Wetteifern um neue Kirchenbauten. Das eigentliche Drama liegt darin, dass die Menschen tatsächlich die Nähe zu Gott suchten und in der Kirche das falsche Bodenpersonal vorfanden.

Dabei waren die Menschen erneut bereit für Seelenheil zu bezahlen. Das Ganze wurde jedoch anders verpackt und verkauft. Nicht selten war es üblich, dass der Kirche, dem Pastor oder Pfarrer ein Küchenservice, ein Nutzvieh oder eine großzügige Spende zugesteckt wurde. Aus unserer Chronik geht hervor, dass ein Landwirt aus Berschweiler zur Taufe seines Nachkömmlings der evangelischen Kirche ein Abendmahlgeschirr stiftete. Viele Pfarrer oder Pastor wurden täglich zum Essen eingeladen. Damals war es eine Ehre einen Pfarrer als Gast zu haben. Bauernfamilien versorgten den ortsansässigen Pfarrer mit Lebensmitteln, Geld und nicht selten auch mit einer Herberge. Damals gab es keinen Mangel an Bewerbungen für Küsterdienste oder Friedhofsgärtner. Die Menschen rissen sich um eine Dienstleistung für die Kirche. Eine Familie konnte mit einer Anstellung bei Kirchens ihren Stellenwert in der Dorfgemeinschaft erheblich aufwerten.

Im Jahre 1839 wurde in Dirmingen das sogenannte „Recht des Kehrens“ versteigert. In alten Unterlagen des damaligen Kreises Ottweiler wurden Niederschriften gefunden in denen sich Einwohner um das „Recht des Straßenkehrens“ bewerben konnten. Am 01.Juni 1839 hatte der damalige Beigeordnete von Dirmingen, Schneider, im Auftrag des Bürgermeisters Peter Thetard das Recht zum Kehren vor dem Pfarrhaus versteigert. Bürgermeister Peter Thetard verwaltete damals in Personalunion die beiden Bürgermeistereien Dirmingen und Eppelborn. Das „Recht des Kehrens“ wurde unter festgeschriebenen Konditionen versteigert. In den vorhandenen Akten finden wir Hinweise darauf, dass das „Recht des Kehrens“ jeweils für ein Jahr dem Meistbietenden zugesprochen wurde.  Der Pächter muss jede Woche wenigstens zweimal kehren und den Dünger beseitigen. Der Pachtpreis musste dem Gemeindeeinnehmer in Illingen gezahlt werden. In Streitfällen musste die königliche Regierung in Trier über das Kehrrecht entscheiden. Nicht selten führten die Eingegangenen Bewerbung zu Streitigkeiten in der Dorfgemeinschaft. Der sogenannte „Steigerer“ des Kehrrechts hatte auf gerichtlichen Rekours zu verzichten.

Der Bergmann Jacob Guthörl, Ackersmann zu Dirmingen, ersteigerte sich als erstes das Recht zum Preis von 21 Silbergroschen. Jacob Guthörl konnte sich die Rechte des Kehrens rund um den Brunnen beim Pfarrhaus insgesamt drei Jahre lang leisten. Anschließend wurden weitere Straßenteile an den Höchstbietenden versteigert. Der Pachtpreis musste stets zu Martini (Oktober) bezahlt werden. In der Regel bezahlten die Pächter 17 Silbergroschen und sechs Pfennige für eine Parzelle. Die Straßen mussten mehrmals die Woche gekehrt werden, so dass die Kommunikation nicht gestört werden kann. In aller Regel waren es überwiegend die Bauern, die das Kehrrecht einforderten.

In Dirmingen gab es eine Zeit in dem katholischen Einwohner dieses Kehrrecht nicht ersteigern durften. Die Anzahl katholischer Einwohner war im 19.Jahrhundert ohnehin sehr gering. Katholiken hatten in der Dorfgemeinschaft keinen leichten Stand und wurden nicht selten schlecht behandelt. Warum die Bauern damals gerne für die Arbeit bezahlten, und das Recht des Straßenkehrens erwarben, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich war es der damaligen Stellung der Kirche geschuldet. Die Kirche spielte im 19. Jahrhundert eine gewichtige Rolle. Für die Menschen war es damals eine Selbstverständlichkeit die Kirche mit eigenem Hab und Gut zu unterstützen. Wie aus unserer Dorfchronik hervorgeht, war es nicht unüblich, dass nach Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen viele freiwillige Zuwendungen an die Kirche flossen.

Heute wäre das kaum vorstellbar, dass Menschen dafür bezahlen um für eine Kommune oder eine Kirchengemeinde die Straße zu fegen. Im Anbetracht dessen, dass die Menschen damals nicht besonders wohlhabend waren, ist die Höhe der Pacht beachtlich. Im Laufe der Jahre hat sich die Einstellung zur Kommune und zur Kirche verändert. Unsere heutige Gemeinde Eppelborn würde sich bestimmt über eine Wiedereinführung des Kehrrechts freuen.