„Wem es die Kerb?“ – Ein Dorffest für alle „Echte Derminga“

Die Zeiten, in denen sich Katholiken und Protestanten in unserem Dorf darüber stritten, „wem die Kerb es“ gehören längst der Geschichte an. Heute wird unsere Kirmes längst von Mitgliedern beider Konfessionen ausgiebig gefeiert. Der Wahrheit zur Ehre gehört, dass wir in Dirmingen zur „Kerb“ das Kirchweihfest der evangelischen Kirche in der Ortsmitte feiern. Diese ehemalige Dorfkirche, die bis zur Reformation im Jahre 1575 noch in katholischen Händen war, existierte mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer anderen Bauform bereits zur Dorfgründung. Im Jahre 1742 wurde das Kirchenschiff polizeilich geschlossen. Die Sicherheit der Kirchgänger wurde durch herabfallende Steine gefährdet. Am 27.April des Jahres 1746 wurde der Grundstein für den Neubau der Kirche gelegt. Der Teil des historischen Turmes wurde dabei erhalten. Schon am 06.November 1746, nach einer Bauzeit von nur einem halben Jahr, fand die Kirchweihe statt.

Bis ins 20. Jahrhundert lebten in Dirmingen nur sehr wenige Katholiken. Im Umgang mit den ersten Katholiken in unserem Dorf bekleckerten sich die in der Überzahl befindlichen Protestanten nicht gerade mit Ruhm. Eine Spaltung ging durch unsere damalige Dorfgemeinschaft. Erst im Jahre 1911 baute ein gegründeter Kirchbauverein eine eigene katholische Kirche auf dem Rothenberg. Im Jahre 1925 wurde die katholische Kirchengemeinde St. Wendelinus gegründet. Der altehrwürdige Pastor Didas hat große Verdienste um den Bau einer eigenen Dorfkirche und die Gründung einer katholischen Pfarrgemeinde in Dirmingen. Mit dem heiligen St. Wendelinus wurde ein Patron gefunden, dessen Wurzeln in unserer Heimatregion liegt. Der Patronatstag des heiligen Wendelin ist der 20. Oktober. Der heilige Wendelin ist der Schutzpatron der Hirten und Landleute, sowie der Bauern und Landarbeiter. Dirmingen wurde im Laufe seiner Geschichte immer als wohlhabendes Bauerndorf betitelt. Die Entscheidung für das Patrozinium des heiligen St. Wendelinus wurde von den Dirminger Katholiken wohl bedacht ausgesucht. Auf der anderen Seite sorgte der Patronatstag des heiligen Wendelin Ende Oktober über viele Jahrzehnte hinweg zu völlig unnötigen Streitereien zwischen den beiden vorhanden Konfessionen. „Wem es die Kerb?“ Katholiken oder Protestanten?

Wenn wir es historisch betrachten, bezieht sich die „Derminga Kerb“ natürlich auf das Kirchweihfest der evangelischen Kirche in Dirmingen. Im Jahre 2025 feiern wir die nunmehr 279 „Derminga Kerb“. Aufgrund der Tatsache, dass unsere katholische Kirchengemeinde St. Wendalinus erst seit dem Jahre 1925 existiert, dürfte klar sein, warum wir in Dirmingen „Kerb“ feiern. Die „Kerb“ gehört zu unseren ältesten Dorffesten und wird geprägt von uralten Traditionen. Erste Hinweise auf das Feiern einer Dorfkirmes finden wir in unserer Dorfchronik. Darin wird beschrieben, dass bereits im 17.Jahrhundert unmittelbar nach dem 30-jährigen Krieg, in Dirmingen Kirmes gefeiert wurde. In den Kirchenbüchern der evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen finden wir beeindruckende Indizien.

Anlässlich einer Kirchenvisitation im 18. Jahrhundert wurde das Presbyterium gefragt, ob es denn Säufer in der Gemeinde gäbe. Die Antwort des Pfarrers lautete: „Nicht das ich wüsste. Dafür hat in diesen Elenden Zeiten der Herrgott uns Zaum und Gebiss ins Maul gelegt. Nur an der Kerb saufen Sie sich alle voll“ (Originalzitat * „Gedenket den vorigen Tagen“ -Seite 152), historisch belegt ist auch die Aussage eines kleinen Jungen im 17. Jahrhundert: Als jener kleine Bub vom Dorfpfarrer nach den drei höchsten Festen des Jahres gefragt wurde, sagte dieser:“ Ei, Kindaaf, Kerb un Worschtsupp!“

„Wem is die Kerb? Wenn wir uns an der heutigen Zeit orientieren und das geschichtliche außer Acht lassen, spielt es immer weniger eine Rolle, warum wir eigentlich „Kerb“ feiern. Wichtig ist, dass wir sie gemeinsam feiern. Ganz gleich welche Konfession, welche Hautfarbe oder welche Herkunft. Die „Kerb“ ist auf dem besten Wege zum Dorffest aller Dirmingerinnen und Dirminger zu werden.  

Im Bewusstsein unserer Bevölkerung spielt der kirchliche Hintergrund immer weniger eine Rolle. Ich persönlich habe mit dieser Entwicklung meine Probleme. Unsere beiden Kirchen verlieren immer mehr an Gewicht. Wenn es uns nicht gelingt die „Kirche im Dorf zu lassen“, stehen wir bald als Dorfgemeinschaft vor großen Problemen. In diesen Zeiten macht es Sinn enger zusammenzurücken und sich die Hände zu reichen. Eine große Chance liegt in der Ökumene. In letzter Zeit spielt die Ökumene eine immer größer werdende Rolle in unserer Dorfgemeinschaft. Gut so! Natürlich haben wir das den handelnden Personen in den beiden Kirchengemeinden zu verdanken. Ich hoffe inständig, dass wir diesen Weg gemeinsam weiterbeschreiten.

Nach den beiden Weltkriegen einigte sich die Dirminger Bevölkerung im Laufe der Jahre, aufgrund der nicht feststehenden Kalendertage, auf den letzten Oktobersonntag als Kirchweihtag. Das letzte Oktoberwochenende liegt etwa in der Mitte des zeitlich stark schwankenden 27.Trinitatissonntages und bot sich somit als feststehender Termin an. Im Jahre 1968 dachte der Dirminger Gemeinderat kurzzeitig darüber nach, die “Kerb” vorzuziehen. Der Gemeinderat wollte mit dieser Terminverschiebung dem Patroziniumstag des heiligen Wendelinus, der hiesigen katholischen Wendelinus Pfarrgemeinde, entgegenkommen. Am Ende wurde jedoch am feststehenden Termin im Oktober festgehalten. Aus heutiger Sicht war das ein Fehler! Die Verantwortlichen haben damals eine große Chance vertan. Heute scheint es aufgrund der angespannten Situation rund um die Schausteller nicht mehr möglich die „Kerb“ zu verschieben. Für ein Dorf unserer Größenordnung wird es immer schwerer eine Kirmes auf die Beine zu stellen. Ich weiß, wovon ich Rede…..

Dabei hat die „Kerb“ nicht nur in unserem Heimatort einen hohen Stellenwert. In vielen saarländischen Ortschaften wird großen Wert auf die Durchführung der eigenen Kirmes gelegt. Dabei wird deutlich, dass die Bezeichnung „Kerb“ sich früher allein an der Kirchweihe orientierte. Gerade im Mittelalter entstanden in unserem Land viele neue Kirchenbauten. Die Bevölkerung feierte den Bau dieser neuen Kirchen mit einem Hochfest. Aus dem Althochdeutschen „chirihwihi“ wurde im mittelhochdeutschen „kirchwihi“ und durch Unterdrückung des „ch“ die „Kirwihe“. Bereits im 15 Jahrhundert entstand der Begriff „Kirwe“ und durch Verstärkung des Buchstaben „w“ zu „b“ „kirb“ und „Kerb“. Belegt ist also das die eigentliche Kirchmesse, einer zur Weihe der neuen Kirche gehaltenen ersten Messe herzuleitende Ausdruck Kirmes demnach ein Gedenktag wie „Kirbe“, „Kirb“ oder „Kerb“.

Mit der rein kirchlichen Handlung wurde im Mittelalter vielfach ein Markt mit weltlichen Festtreiben verknüpft. Das führte schon sehr früh zu einer Lockerung der kirchlichen Bindung. Irgendwann löste sich die „Kerb“ im Laufe der Zeit zur Allgemeinbezeichnung einer ausgelassenen weltlichen Feier. Die eigentliche Kirchweihe geriet immer mehr in den Hintergrund. Ähnlich vermag es sich auch bei den Patronatsfesten der katholischen Gemeinden verhalten haben. Der eigentliche Sinn der Kirmes oder des Patronatsfestes ging in vielen Kirchengemeinden zusehends verloren. Die weltliche Anschauung wurde immer mehr in den Mittelpunkt gerückt. Zugegebenermaßen hat auch der volkstümliche Brauchtum des „Kerwe-Lisje“ und seines „Hennes“ überhaupt nichts mit dem kirchlichen Ursprung zu tun.

Heute hat vieles an unserer „Kerb“ auch nur im Entferntesten mit der herkömmlichen Kirchweihe zu tun. Nach dem 30- jährigen Krieg begann man damit zur Kirmes verschiedenen Gesellschaftsspiele anzubieten. Stangenklettern nach dem „Kerwehahn“ oder „Kerwehammel“, Wettlauf der Mägde, Lauf der Schwerter, Ringkämpfe, Kegelspiele Tänze, Vogelschießen, Ball-Fecht und Tanzspiele Steckenpferd reiten und Aufführungen von Schauspielen standen auf der Tagesordnung. Irgendwann wurde auch die „Kerb“ von der Modernisierung eingeholt. Alles musste schneller, höher weiter sein. Schausteller reißen sich um die größte Kirmes. Das Geschäft und das Kapital stehen im Vordergrund.

Am Ende ist es immer, dass was man daraus macht! In manchen saarländischen Ortschaften richtet man zur eigenen Kerb zeitliche Rituale ein. In Dirmingen z. B sagte man, dass man vor dem Kirmeswochenende (Ende Oktober) zum letzten Mal für das Jahr gemäht werden sollte. Meistens wurde zum Kirmesdatum bereits mit der Hausschlachtung begonnen. Die Kerb wurde sehr früh als Volksfest verstanden. Dabei standen das Essen und Trinken immer im Vordergrund. Natürlich darf zur Kerb der eigene „Kerwekuche“ nicht fehlen. In unserem Dorf wurde früher, der Jahreszeit entsprechen, „Quetschekuche“ gebacken. Zur eigenen Kirmes kam immer die Familie zusammen. Dies hatte in allen Familien unseres Dorfes Tradition. Gemeinsam wurde gegessen, gefeiert und schließlich Karussell gefahren. Die „Kerb“ ist ein Heimatfest und ein Familienfest.

Früher stand der Hahn in engster Beziehung zur Kirchweihe und der damit verbundenen „Kerb“. Warum der Hahn damals eine besondere Bedeutung hatte, lässt sich leicht erklären. Früher war es völlig normal das sich auf jeder Kirchturmspitze ein Kirchturmhahn befand. Der Hahn stand also für das sogenannte Kirchturmdenken. Heute ist es höchste Zeit diesem Kirchturmdenken den Rücken zu kehren. Wir brauchen Gemeinsamkeiten, Zusammenhalt und ein starkes Miteinander. Dazu gehört auch eine gut organisierte Ökumene, in der wir uns wie zuletzt geschehen, immer mehr gegenseitig einladen und mitnehmen.

Heute findet sich unsere „Kerb“ in den Kirchenkalendern beider Konfessionen wieder. In diesem Jahr werden wir erstmals seit vielen Jahrzehnten am „Kerwe-Samstag“ auch einen katholischen Festgottesdienst in der Pfarrei St. Wendelinus feiern können. Dabei stehen beide Kirchengemeinden nicht in Konkurrenz, sondern im gegenseitigen Verständnis. Wenn die evangelische Kirche ihre Kirchweih feiert, sollte unsere katholische Kirche auch ihr Patronatsfest feiern dürfen. Früher war das ein Skandal, heute ist das unter Freunden eine Selbstverständlichkeit. „Ein jeder nach seiner Fassong“ ( Zitat: Friedrich II). Respekt, friedvoller Umgang und gegenseitiges Verständnis gehen in unserer heutigen verrohten Zeit immer mehr verloren. Vielleicht dient gerade unsere „Kerb“ als Beispiel, wie man es gemeinsam besser machen kann:

Die Evangelische Kirchengemeinde St. Wendel -Illtal feiert am „Kerwesamstag“, 25. Oktober um 14:30 Uhr das Fest der Kirchweihe in der evangelischen Kirche zu Dirmingen.

Die katholische Pfarreiengemeinschaft Eppelborn Dirmingen feiert am „Kerwe-Samstag“, 25. Oktober um 18:30 Uhr das Patronatsfest des heiligen St. Wendelinus. Im anschluss lädt der Pfarrgemeinderat zu einem Umtrunk und kleinen Imbiss im hinteren Teil der Kirche ein.

Beide Kirchengemeinden richten ihre Einladungen auch an die Schwestergemeinde der katholischen beziehungsweise evangelischen Kirchengemeinde. Schön, oder?

Im Jahre 1999 erweckte unser damaliger Ortsvorsteher Rudi Hell die etwas in die Jahre gekommene „Derminga Kerb“ zu neuem Leben. Gemeinsam mit seinen Vasallen des Kulturvereines Dirmingen schaffte Rudi Hell eine Aufwertung des bunten Kirmestreibens. Dabei waren die Kulturaner immer darauf bedacht, eine gewisse Einheit zu demonstrieren. Die „Derminga Kerb“ wird jedes Jahr unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“ durchgeführt. Mit diesem Slogan soll der Zusammenhalt im Kulturverein und in der Bevölkerung gestärkt werden. Ziel ist es, die „Kerb“ als Fest der Dirminger in den Köpfen der Bevölkerung zu verankern. Vielleicht erinnern uns in diesem Jahr ausgerechnet unsere beiden Kirchengemeinden an das Vermächtnis unserer Vorgänger. Es ist unsere gemeinsame „Kerb“! Es ist das Fest aller Dirmingerinnen und Dirminger. Dabei spielt es keine Rolle, woher du kommst, ob du Geld hast, oder ob du evangelisch oder katholisch bist. Der Zauber liegt im Miteinander. Dieser Zauber kann sich auch in der Ökumene widerspiegeln. Macht was draus !!

Der Kulturverein Dirmingen hat für seine Außendarstellung ein einheitliches Auftreten gewählt. Mag das auch so mancher Zeitgenosse albern und überholt finden, so spiegelt dieses Auftreten eine starke Identifikation mit unserem Heimatort. Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende wurden die bekannten „weiß-blauen Musketier-Kostüme“ zum Markenzeichen der Kulturaner. Die blauweißen Farben des Kostüms erinnern an die Wappenfarben des Heimatortes Dirmingen. Musketiere standen in Zeiten des Neubaus unserer Dorfkirche für Patriotismus, Zusammenhalt, Ehre und Loyalität. Mit diesen Eigenschaften kann sich der Kulturverein zur eigenen „Kerb“ gut identifizieren. Es bleibt zu hoffen, dass wir noch viele Jahre diese Tradition aufrechterhalten und am letzten Oktoberwochenende gemeinsam „Kerb“ feiern können. Dabei könnte der Ausruf „Wem is die Kerb“ völlig neu interpretiert werden. Die „Kerb“ ist allen „echte Derminga“, ganz egal ob evangelisch oder katholisch……

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