Wem es die Kerb ? ……uuuss
Die Zeiten, in denen in unserem Dorf darum gestritten wurde, welche Konfession die richtige ist und wem eigentlich die Kirche und somit auch die alljährliche „Kerb“ gehört, hat gottlob ein Ende gefunden. Mittlerweile spielt das Verhältnis beider Konfessionen zu unserer Kirmes eine eher untergeordnete Rolle. Viele jüngere Menschen haben an dem historischen Hintergrund rund um die Kirmes kein Interesse. In den meisten Fällen ist es ihnen sogar völlig gleichgültig.
Die „Kerb“ hat sich als ein Dorffest für alle Dirminger und deren Freunde etabliert. Eine Konfession oder eine Parteizugehörigkeit sollte dabei keine Rolle spielen. Unsere Kirmes kann Brücken schlagen und Streit und Missgunst beenden. Die „Kerb“ ist ein Volksfest für alle Menschen gleich welcher Hautfarbe oder Konfession. Einen großen Verdienst an dieser Entwicklung hat der Kulturverein Dirmingen. Das „Wir-Gefühl“ wurde im Laufe der Jahre in den Vordergrund gerückt und das eigene Kirchturmdenken nach hinten gestellt. Der Slogan „Einer für alle, alle für einen“ steht für ein anderes Denken in einer neuen Generation.
Ich persönlich begrüße diese Entwicklung und wünsche mir auch zur „Kerb“ noch mehr ökumenisches Denken. Schließlich soll unsere Kirmes verbinden und nicht trennen. Ein jeder mag dieses Fest nach seiner Façon feiern und seine Ansicht auch gerne vertreten dürfen. Am Ende der diesjährigen „Kerb“ wurde ich von neuen Bewohnern gefragt, was wir zur Kirmes eigentlich feiern und warum wir in den blau-weißen Kostümen herumtollen. Gerne leistete ich Aufklärungsarbeit und bot die Zeit für weitere Gespräche. Am Ende trieben mich neuerliche Rückfragen und Wortmeldungen interessierter Zeitgenossen dazu, diesen Blogeintrag zu schreiben
Dabei wird mir in letzter Zeit als aktiver Heimatforscher immer öfter vor Augen geführt, dass viele Menschen überhaupt nicht mehr wissen, was wir zur „Kerb“ feiern. Es handelt es sich bei der „Derminga Kerb“ keineswegs um ein Patronatsfest im herkömmlichen Sinne. Vielmehr wird von dem Wörtchen „Kirmes“ das Kirchweihfest abgeleitet. Wir feiern also die Kirchweihe der, im Jahre 1746 erbauten, Stengelkirche. Unsere „Kerb“ ist nachweislich kein Patronatsfest und hat auch nichts mit dem Patroziniumstag der hiesigen St. Wendalinusgemeinde oder der St.Wendler Wendalinuskirmes zu tun. Die These, dass bereits seit über 275. Jahren ein Patronatsfest in Dirmingen gefeiert wird, ist also nicht richtig und historisch auch nicht zu belegen.
Als die Reformation im Jahre 1575 unseren Heimatort erreichte, wurde die Kirche in der Ortsmitte den Protestanten zugesprochen. Mit dieser Entscheidung begann ein jahrhundertelanger Konflikt, der schließlich dazu führte, dass viele Jahrzehnte kaum noch Katholiken in unserem Heimatort existierten. Die Feindseligkeiten dauerten bis hin zum ersten Weltkrieg. Gegen Ende des 19- Jahrhunderts kamen die ersten Katholiken vom Osten Europas und der Schweiz ins Saargebiet. Lange Zeit konnten Katholiken in unserem Dorf nur schlecht Fuß fassen. Auf dem um die Stengelkirche gelegenen Dirminger Friedhof durfte kein Katholik beerdigen werden. Die Feindseligkeiten gingen so weit, dass sogar Verliebte aus verschiedenen Konfessionen nicht zueinanderkommen durften.
Am 27. November 1920 wurde Pastor Didas als Expositus (Geistlicher) von Dirmingen eingeführt. Nur kurze Zeit später am 21. April 1921 wurde die Ernennung zum Pfarrverwalter von Dirmingen vollzogen. Bereits im Jahre 1892 wurde auf Anregung von Wilhelm Riehm ein Dirminger Kirchbauverein gegründet. Die Anzahl der Katholiken in unserem Dorf war zu diesem Zeitpunkt ansteigend. Im Frühjahr 1911 konnten die Bauarbeiten zum Bau einer ersten eigenen Kirche beginnen. Am 19. April 1912 wurde in der neuen Kirche auf dem Rothenberg, die dem hl. Wendelinus geweiht war, die erste heilige Messe gehalten. Die heutige St. Wendalinusgemeinde wurde zu Beginn der 1920-er Jahre auf Initiative Pastor Didas gegründet. Allein schon aus diesem Grunde kann die 275-jährige Tradition unserer „Kerb“ nicht auf einem Patronatsfest begründet werden.
Der 20. Oktober ist der Gedenktag des heiligen Wendelin. Von katholischen Mitbürgern habe ich erfahren, dass im Oktober feierliche Gedenk-Messen stattgefunden haben. Wahrscheinlich ist es der zeitlichen Nähe des Gedenktages und der Kirchweihe geschuldet, dass es viele Jahrzehnte Reiberein zwischen beiden Konfessionen gegeben hat und sich stets um die Frage gestritten wurde: Wem es die Kerb ? Im Jahre 1968 wurde im Dirminger Gemeinderat kurzzeitig darüber nachgedacht die “Kerb” vorzuziehen. Das Gremium wollte mit dieser Terminverschiebung dem Patroziniumstag des heiligen Wendalinus, der hiesigen katholischen Wendalinus Pfarrgemeinde, entgegenkommen. Am Ende wurde jedoch am feststehenden Termin Ende Oktober festgehalten. Sollte Allerheiligen auf den Kirmesmontag oder Kirmesdienstag fallen, wird die Kirmes eine Woche vorverlegt. In vielen Fällen sehr nahe an den 20. Oktober, den Gedenktag des heiligen Wendelin.
Von daher habe ich kein Problem damit beides zu feiern. Solang es den Menschen unseres Dorfes gefällt, sollte alles erlaubt sein. Gerne kann man zur Kirmes auch dem heiligen Wendelin gedenken. Wo liegt das Problem? Lasst uns Brücken schlagen und beides verbinden. Warum nicht auch in einem gemeinsamen ökumenischen Kirmes- Gottesdienst? Die Zeiten des Kirchturmdenkens sollten endlich der Geschichte angehören. Dazu gehört auch, dass sich beide Seiten die Hände reichen. Ich habe ein Problem damit, dass nur eine Seite hervorgehoben und gepriesen wird.
Am 27.April des Jahres 1746 wurde der Grundstein für den Neubau der Kirche in der Ortsmitte gelegt. Der Teil des historischen Turmes wurde dabei erhalten. Schon am 06.November 1746, nach einer Bauzeit von nur einem halben Jahr, fand die Kirchweihe statt. In diesem Jahr fand die 275. „Derminga Kerb“, also Kirchweihe statt.
An drei Festtagen wurde ausgelassen auf dem Festplatz und in unserer Gastronomie gefeiert. Kinder nutzten die Fahrgeschäfte der Schausteller und das feierwütige Volk trank auf die gemeinsame Zukunft. Endlich wieder ohne Sorgen feiern und das Leben genießen. Das diese Kirmes so gut angenommen und gefeiert wurde erfüllt mich mit Stolz. Immerhin durften wir Dirminger die erste und einzige Kirmes, unserer Gemeinde, in diesem Jahr feiern.
Die Zeiten ändern sich und aus unserem Kirchweihfest entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte die Veranstaltung mit Buden und Karussells so wie wir sie bis heute kennen, schätzen und lieben. Zur historischen Wahrheit gehört jedoch die Tatsache, dass wir alljährlich eben Kirchweih feiern. Am Ende ist es gut und schön, dass wir überhaupt noch Kirmes feiern dürfen. Während anderorts die Dorf Kirmessen aussterben, haben wir Dirminger es geschafft unsere „Kerb“ zu erhalten. Unsere „Kerb“ ist ein Volks- und Heimatfest der besonderen Art und soll allen Dirmingern Freude bereiten. Ganz egal ob Evangelisch, Katholisch oder Arabisch. Wichtig ist, dass wir zusammenhalten und weiterhin jedes Jahr vereint brüllen: Wem es die Kerb ?…….uuuss!