Volkstrauertag 2021- Wie eine Erinnerungskultur zur Mahnung werden kann !

Mein Ur-Großvater fiel während des ersten Weltkrieges in Russland. Mein Großvater im zweiten Weltkrieg in Tschechien. Für meinen Vater war der jährliche Volkstrauertag immer ein besonderer Termin. Am Volkstrauertag mussten mein Bruder und ich immer zu einer Feststunde zum Denkmal mitkommen und der Kranzniederlegung beiwohnen. Ich erinnere mich an eine feierliche Veranstaltung mit Soldaten, Feuerwehr, Trauermusik und einer langen Rede. Am Ende wurde ein großer Ehrenkranz in Gedenken an die zahlreichen Opfer von Krieg, Terror und Gewalt niedergelegt.

Inzwischen ist der Volkstrauertag in die Jahre gekommen und lockt kaum noch jemanden hinter dem Ofen heraus. Gerade junge Menschen haben verständlicherweise kaum noch eine Bindung zu diesem stillen Festtag. In unserem Heimatort wird seit einigen Jahren wieder eine Kranzniederlegung, am neuen Mahnmal, auf den Friedhof zelebriert. Über einige Jahrzehnte geriet die Durchführung dieser Veranstaltung ins stocken. Dies hatte bestimmt auch mit dem Zustand des alten Mahnmals auf den „Hundsberg“ zu tun. Bevor das neue Mahnmal auf dem Friedhof im Jahre 2016 gesetzt wurde, haben wir uns sogar darüber Gedanken gemacht, ob ein Denkmal in Dirmingen überhaupt noch einen Sinn ergibt. Benötigen wir in der heutigen Zeit noch ein Denk- oder Mahnmal? Das Gedenken an Helden und verdienstvolle Mitbürger fällt leicht. Mit dem Gedenken für Opfer – und auch daran, dass es unter unseren Soldaten auch Täter gab – ist es weitaus schwieriger umzugehen. Viele Menschen vertreten die Meinung, so etwas wie damals wird sich nicht mehr wiederholen. Wirklich nicht? Ich fürchte dies ist ein Irrglaube. Wir leben in unruhigen Zeiten und aus meiner Sicht sind Denkmäler und die damit verbundene Erinnerungskultur, gerade heute, sehr wichtig.

Am diesjährigen Volkstrauertag, dem 14.November werden wieder vielerorts Kränze niedergelegt. Auch in Dirmingen wird dies am neuen Mahnmal auf dem Friedhof, um 14:00 Uhr Ortszeit, geschehen. Ich bin froh, dass der Ortsrat an der Tradition der Kranzniederlegung zum Volkstrauertag festhält. Die Bevölkerung nimmt daran mal mehr oder weniger teil. Auch hier stellt sich wieder die Frage, brauchen wir noch diese Zeremonie der Kranzniederlegung oder ist dies alles längst überholt? An meinen Kindern stelle ich fest, dass die Bindung zu den beiden Weltkriegen kaum noch vorhanden ist. Daran ändert auch nicht die Tatsache, dass ihr Ur-Ur- Großvater und der Ur-Großvater und eine Ur-Großtante den beiden Kriegen zum Opfer fielen. Man kann und darf der heutigen Generation ihr Verhalten nicht vorwerfen. Unsere Kinder wurden in Friedenszeiten geboren und haben Gott sei Dank keine Kriegswirrungen erfahren. Gerade für jüngere Menschen ist es schwierig eine Erinnerungskultur zu bewahren, ohne daraus eine gewisse eigene Erfahrung schöpfen zu können.

Wenn es uns gelingt, aus den vorhandenen Denkmälern ein Mahnmal zu machen, kann ein Schuh daraus werden. Ich denke, dass gerade in der heutigen Zeit Gedenkstätten wichtig sind und uns ermahnen vorsichtig mit dem Frieden umzugehen. Bereits am 28.August 1928 wurde ein Denkmal auf dem „Hundsberg“ eingeweiht. Dieses Denkmal stand auch während des zweiten Weltkrieges und verfiel im Laufe der Jahre in einen erbärmlichen Zustand. Als dieses erste Mahnmal zu Beginn der 1950-ger Jahre baufällig wurde, musste es von der Verwaltung abgebrochen werden. Mit großem ehrenamtlichem Einsatz wurde ein neues Denkmal an gleichem Ort in Auftrag gegeben und erbaut. Am 06.November 1955 fand die Einweihung des „neuen“ heute noch vorhandenen Denkmals auf dem Hundsberg statt. Im Frühjahr des Jahres 1965 wurden angefertigte Namenstafeln an einer Mauer hinter dem Denkmal angebracht. Im Frühjahr des Jahres 2014 wurde das Denkmal geschändet und die Namenstafeln abgebrochen und gestohlen. Fast 60 Jahre diente das alte Bauwerk im Naherholungsgebiet Steinrutsch der Erinnerung an die Opfer der beiden Weltkriege. Mit der Schändung des Denkmals und dem Bau einer neuen Mahnstätte, auf dem Friedhof, endete praktisch eine Ära. Noch heute beschäftigt unsere Dorfgemeinschaft die Frage, wie wir mit der alten Gedenkstätte auf dem Hundsberg zukünftig umgehen. Unser Ortsrat hat hier eine klare Meinung und ist am Erhalt des Mahnmals interessiert.

Der Volkstrauertag wurde auf Anregung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Jahre 1919 eingeführt. Erstmals wurde im Jahre 1922 ein Gedenktag zu Ehren der Opfer des Ersten Weltkrieges begangen. Die Nationalsozialisten schafften den Volkstrauertag nach 1933 ab und ersetzten ihn 1934 durch den „Heldengedenktag“. Nach Gründung der Bundesrepublik wurde der Volkstrauertag erstmals 1950 wieder begangen und 1952 zum staatlichen Gedenktag erklärt. Man einigte sich darauf, den Trauertag auf den vorletzten Sonntag des evangelischen Kirchenjahres beziehungsweise auf den 33. Sonntag im Jahreszyklus der Katholiken festzulegen. Ein der Beweggrund lag darin, sich deutlich vom nationalsozialistischen „Heldengedenktag“ abzugrenzen. Obwohl der Volkstrauertag jährlich gefeiert wird, tauchen jedes Jahr immer wieder die gleichen Fragen auf. Eine der vielen Fragen lautet: Was hat es mit den Verboten rund um einen stillen Feiertag auf sich?

Bei den sogenannten stillen Feiertagen handelt es sich um einen besonderen Feiertage, an denen bestimmte Auflagen aus Gründen der Pietät und Rücksicht auf religiöse Gefühle geltend gemacht werden. Bundesweit beinhaltet dieser Feiertag gewisse Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger. Im Saarland sollten von 04:00 bis 24 Uhr keine Versammlungen, Auf- und Umzüge, (Tanz-)Veranstaltungen, Betrieb von Spielhallen und ähnlichen Unternehmen durchgeführt werden. So ganz streng hält man sich heutzutage jedoch nicht mehr an diese Vorgaben. Am jährlichen Volkstrauertag gedenkt die Bundesrepublik aller Opfer von Krieg, Gewalt, und Terror. Unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in diesem Jahr den Text des Totengedenkens im Bundestag verändert und gedenkt nun auch ausdrücklich den Opfern terroristischer, politischer, islamistischer, rassistischer und antisemitischer Anschläge und Morde in Deutschland aus den vergangenen Jahren. Ich finde dies durchaus angebracht.

Unser Heimatort Dirmingen musste während den beiden Weltkriegen fast 300 Mensch leben beklagen. Darunter waren Soldaten, Familienväter, junge Männer und zahlreiche Opfer aus der Zivilbevölkerung. Sogar Frauen und Kinder mussten während den verheerenden Bombenangriffen auf Dirmingen ihr Leben lassen. Der Volkstrauertag ist aus meiner Sicht ein wichtiger Tag gegen das Vergessen. Erinnerungskultur ist gut – Ermahnen bleibt wichtig! Am Sonntag,14. November werden wir um 14:00 Uhr am Mahnmal auf dem Dirminger Friedhof einen Ehrenkranz niederlegen. Ich hoffe wir sehen uns ?!?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert