Müssen wir uns immer wieder aufs Neue reformieren ? – Kirchen suchen ihren eigenen Weg
Der 31. Oktober spaltet seit einigen Jahrzehnten nicht nur mein persönliches Weltbild. Ich gebe zu, dass ich so meine Probleme mit Halloween habe! Nein, ich möchte es keinem verbieten und halte mich an die Devise:“ Leben und leben lassen“ oder frei übersetzt: Feiern und feiern lassen! Ich persönlich feiere anstatt Halloween viel lieber Reformationstag. Was aber hat der Reformationstag mit Halloween zu tun? Eigentlich Nichts, oder sagen wir, fast nichts. Das einzige, was diese beiden Festtage verbindet, ist der 31. Oktober als feststehender Termin sowie die Tatsache, dass beides keine bundesweiten Feiertage sind. Der Reformationstag ist in der Evangelischen Kirche der Gedenktag zu Ehren Martin Luthers großer Kirchenreform vor 500 Jahren. Schon Martin Luther vertrat die Ansicht, dass “Angstmachen” sogenanntes Teufelswerk ist und nicht funktionieren kann. Luther erkannte schon recht früh: „Gott will keine verängstigten Menschen”. Die Methoden der damaligen katholischen Kirche basierten auf Drohungen, Verbreitung von Angst und Vorverurteilungen. Im Mittelalter werden die Menschen mit Dämonen, Hexen und dem Teufel bedroht. Scheinbar trägt diese Methode bis heute Wirkung !
Schwierige Wochen der Entscheidung liegen hinter dem Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Dirmingen. Etliche Monate wurde in einer eigens eingerichteten Arbeitsgruppe Nord des Kirchenkreises Saar-Ost, an einer Zusammenlegung der vier evangelischen Kirchengemeinden St. Wendel, Niederlinxweiler Dirmingen und Uchtelfangen gearbeitet. Und nun? Es ist vollbracht! „Habemus“ neue Kirchengemeinde. Zum 01. Januar 2024 wird es die Evangelische Kirchengemeinde St. Wendel – Illtal geben. Die vier Presbyterien haben sich ihre Entscheidung und den Weg zu dieser Fusion nicht leicht gemacht. Bestimmt flossen hier und dort auch einmal die ein oder andere Träne. Immerhin steckt in so einer Kirchengemeinde sehr viel Herzblut, Heimat und Tradition.
Das Sprichwort „Die Kirche im Dorf lassen“ wurde für viele Kirchengemeinde in den letzten Jahren zunehmend zum Programm. Dabei blieb auch unsere Evangelische Kirchengemeinde Dirmingen nicht ohne schmerzlichen Verlust. Das Evangelische Gemeindehaus Berschweiler wird im November endwidmet und soll schnellstmöglich veräußert werden. Die laufenden Kosten und ein mit den Jahren eingeschlichenen Sanierungsstau haben der evangelischen Kirchengemeinde zuletzt stark zugesetzt. Nur noch wenige Kirchengemeinden können sich in diesen Zeiten zwei Gotteshäuser leisten. Die Zeichen stehen schlecht und unsere Kirchen kämpfen ums Überleben. Ähnliche Erfahrungen machen aktuelle unsere Schwestern und Brüder der katholischen Pfarreiengemeinschaft Eppelborn- Dirmingen. In der Pfarrkirche St. Sebastian feierten zuletzt mehrere hundert Menschen unter dem Motto „Aufbruch“ eine heilige Messe. Der Weihbischof Franz Josef Gebert war eigens zu dieser Messe angereist und unterstützte diese Auftaktveranstaltung nicht nur durch seine wertvolle Beteiligung an der heiligen Messe sondern versuchte zudem Mut zu verbreiten. Zukünftig wird der „Pastorale Raum“ über Büroräume im Gebäude des Big Eppel verfügen. Unser Dechant Achim Thieser und sein Team haben sich bestens aufgestellt und versprühen eine gewisse Aufbruchstimmung. Gut so ! Diese Aufbruchstimmung ist mit einem gewissen Trotz auch in unserer Evangelischen Kirchengemeinde zu spüren. Es kann nur besser werden ! Die vielen Jahre in Vakanz ohne eigenen Seelsorger haben ebenfalls Spuren hinterlassen.
Aufbruchstimmung !Ich glaube genau das ist es, was die Christen beider Kirchen im Moment am meisten benötigen: Eine Aufbruchstimmung! Dabei hatte Kirche so viel Zeit dem Trend rechtzeitig entgegenzuwirken. Es ist nicht so, als ob diese Entwicklung überraschend kam. Nein! Wir alle haben den Ball kommen sehen und uns weggeduckt. Wir dachten, dass es schon noch eine Weile gut gehen würde. Jetzt wurden viele Kirchen zum Handeln gezwungen. Kirche braucht antworten auf die Fragen dieser Zeit. Dabei muss eine Fusion nicht unbedingt ein harter Einschnitt oder Rückschlag bedeuten. Im Fall der Fusion unserer Evangelischen Kirchengemeinde aber auch im Bezug zum neuen „Pastoralen Raum“ könnte es am Ende tatsächlich besser werden.
Bereits in den 90er-Jahren haben wir alle registriert, dass unsere Kirche kleiner, älter und ärmer wird. Hinzu hatte sich schon damals die Zahl der Kirchenaustritte erhöht. Heute geht es um die buchstäbliche Wurst oder besser um eine gewissen „Kirche der Zukunft“. Vieles steht auf dem Prüfzettel und muss hinterfragt werden. Schwere Zeiten für Presbyterien der Pfarrgemeinderäte.
Fakt ist, dass unsere Kirche ein gewisses Imageproblem hat. Natürlich haben Skandale und Missbrauchsvorwürfe diesen Vorgang beschleunigt. Auch die Menschen haben sich verändert. Für meinen Glauben benötige ich heute nicht mehr unbedingt die Kirche. Was ich für meinen Glauben benötige, bekomme ich leicht im Internet. Heute suchen die Menschen nach Alternativen. Viele Eltern legen immer weniger Wert darauf ihr Kind taufen zu lassen und so manches Ehepaar wählt zur eigenen Trauung lieber einen Friedensprediger. Nur bei Beerdigungen sucht so manches Schäfchen noch den Trost seiner Kirche. Fakt ist auch, dass inzwischen mehr Kirchenmitglieder sterben, als Täuflinge hinzukommen.
Für die Kirchen geht es nun darum dem Negativ-Trend entgegenzusteuern. Dazu muss jede Kirchengemeinde mit der Zeit gehen und neue Wege und Ideen aufzeigen. Mehr Internet, mehr besondere Gottesdienste, Familienangebote und noch intensivere persönliche Seelsorge. Es ist Zeit die alten Strukturen und Vorgaben zu verlassen und neue Wege zu beschreiten. Das klingt zuerst einmal altbacken und abgedroschen. Im Fall unserer Kirchen spiegelt dies jedoch genau die Tatsachen wider. Der Trend geht weg vom üblichen Sonntagmorgen-Gottesdienst hin zu alternativen Angeboten. Dabei geht es darum beispielsweise den Advent, Weihnachten oder auch Ostern einmal anders zu erleben. Es müssen neue Möglichkeiten geschafft werden, um Gottes Wort über neue Wege an die Frau oder den Mann zu bringen.
Ja, wir es stimmt. Kirche muss sich erneut reformieren. Dabei liegt das Problem auch in der Weitergabe von „Gottes Wort“. Martin Luther hat die Bibel übersetzt, damit sie jeder Mensch lesen und verstehen kann. Wer nimmt heute noch die Bibel zur Hand oder versucht intensiv „Gottes Wort“ zu verbreiten ? Die Kirchen verfügen über immer weniger Pfarrstellen. Die Evangelische Kirchengemeinde St. Wendel- Illtal wird zukünftig über dreieinhalb Pfarrstellen verfügen. Gut daran ist, dass die evangelischen Christen in Dirmingen, nach etlichen Jahren der Vakanz und einer kurzen Unterbrechung, endlich wieder einen Seelsorger vor Ort haben werden. Ähnlich verhält es sich bei dem neuen katholischen „Pastoralen Raum“. Die Pfarrer und Pastoren werden alle Hände voll zu tun haben, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Beide Kirchen werden es auch in Zukunft nicht leicht haben. In einer sich wandelnden, durch Digitalisierung, Pluralisierung und Individualisierung geprägten Gesellschaft muss die Kirche die Finger fest auf die Wunden der Vergangenheit drücken. Das wiederum gelingt nur, wenn man den Mut für Veränderungen aufbringt. Kirche muss offen, flexibel und zeitgemäß aufgestellt sein.
Reformieren, Verändern und neue Wege gehen. Das muss nicht immer schlecht sein ! Ich wünsche mir gerade zum Reformationstag 2023 mehr Mut zur Ökumene. Traut euch und reicht euch die Hände. Der Anfang ist längst gemacht ! Nur Mut !
Reformieren – verändern, verbessern, neu gestalten ! Hört sich doch gut an, orra? Müssen wir Angst vor Veränderungen haben oder ist es nicht längst an der Zeit einige grundliegenden Dinge zu verändern ?
Ich denke, es ist an der Zeit zu Verändern oder zu Reformieren. Dabei dürfen wir keine Angst vor dem Neuen haben. Was Angst und Panikmache tatsächlich bewirken sehen wir aktuell nicht nur in unserem Land oder in Europa sondern überall auf der Welt. Menschen werden mit Angst klein gehalten und diskriminiert.
Ich wünsche meiner Kirche und auch den Schwestern und Brüdern des neuen katholischen „Pastoralen Raums“ den Mut Veränderungen zu bewirken und Kirche zu reformieren.
Dabei wird das Wort Reformieren in Bezug auf die Kirche oftmals falsch interpretiert. Martin Luther wollte niemals die Kirche spalten und entzweien. Luther wollte Veränderungen herbeiführen und seine Kirche verbessern. Die Spaltung der Kirche lag niemals im Interesse von Martin Luther. Es ist Zeit aufeinander zuzugehen und neues auszuprobieren.
Psalm 31- Vers 10: „HERR, sei mir gnädig, denn mir ist angst! Mein Auge ist trübe geworden vor Gram, matt meine Seele und mein Leib.“ Ich habe was gegen deine Angst – Gott!
Bibel: Psalm 31- Vers.10.