Unser gemeinsamer Weg in eine andere Bestattungskultur

Die Bestattungskultur und somit auch unser Umgang mit Tod, Trauer, Gedenken hat sich grundliegend verändert. Immer mehr Menschen entscheiden sich für kleine und anonyme Rituale. Von der früheren Bestattungskultur, geprägt durch das christliche Brauchtum, ist nicht mehr viel übriggeblieben. Auf unseren Friedhöfen werden Gräber immer individueller gestaltet, wobei die Erdbestattung völlig aus der Mode gekommen ist. Im frühen 20.Jahrhundert galt die Feuerbestattung in der katholischen Kirche als „barbarische Sitte“. Heute kann man sich einen Friedhof ohne die Möglichkeit einer Urnenbestattung kaum noch vorstellen.

In der Gemeinde Eppelborn befasst man sich schon seit geraumer Zeit mit dem Wandel der Friedhofskultur. Auch der Dirminger Ortsrat hat sich mit diesem Thema schon beschäftigt. Wenn man vor dem Dirminger Friedhof steht, kann man recht gut die vielen freien unbenutzten Flächen erkennen. Die vielen Urnenwände haben das Bild unseres Friedhofs enorm verändert. Darauf gilt es Antworten zu finden. Nicht zu übersehen sind die vielen Lücken zwischen den Gräbern. Der Weg unserer Friedhofskultur geht definitiv weg von er klassischen Erdbestattung hin zur Urnenbeisetzung. Der neuste Trend geht mit der Baumbestattung sogar noch mehr in Richtung Natur. Waldfriedhöfe oder Baumbestattungen sind hoch im Kurs. Auch in Dirmingen verfolgt man solche Ziele und möchte diese Möglichkeit so bald wie möglich anbieten. Platz genug wäre vorhanden.

Die Bestattungskultur befindet sich also wieder mal im Wandel. Dabei ist die Tradition, Verstorbene auf einem Friedhof zu bestatten, noch gar nicht so alt. Im Mittelalter wurden Leichen regelrecht entsorgt, ohne Sarg, in Tücher gehüllt, vergraben. Die Friedhöfe, wie wir sie kennen, sind eine Errungenschaft der Neuzeit. Oft lagen die Grabstätten, wie auch in Dirmingen, rund um die Kirche. Die so genannten Kirchhöfe galten als Symbol für die Nähe zu Gott. Vorgaben für Bestattungen gab es zunächst kaum. Es wurde viele Jahre auch nicht vorgeschrieben, wie die Leichname begraben sein mussten. Quellen berichten, dass Totengräber gerügt wurden, wenn Hunde die Gebeine wieder ausgegraben haben. Der Verwesungsgeruch in den Städten war, historischen Quellen zufolge, unerträglich. Am Ende war es weniger die Erinnerungskultur sondern vielmehr der Hygieneaspekt, warum die heutigen Friedhöfe mit ihren strengen Bestattungsregeln entstanden sind. Irgendwann ging es auch darum Infektionen und Seuchen zu verhindern.

Die erste Eintragung, in das Dirminger Kirchenbuch, zu einer Beerdigung finden wir im Jahre 1664. Dort steht geschrieben: „Sonnabend, 17 Christmonat, ist Meister Jakobs des Wagners zu Berschweiler Hausfrau Maria begraben worden.“ Das Wort „begraben“ kommt in den folgenden Jahren nur noch einmal vor. Bei allen anderen 8 Beerdigungen dieses ersten Kirchenjahres heißt es :“zur Erde bestattet worden“ oder „Christlichem Gebrauch nach ehrlich zur Erde bestattet worden.“ In den folgenden Jahren lautete die Eintragung in der Regel: „Christlich zur Erde bestattet worden“. In den ersten Kirchenbucheintragungen fällt auf, dass damals keine Alterseingabe gemacht wurden. Dies wurde auch in den folgenden Jahren so gehandhabt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Als ein hochbetagtes Gemeindeglied verstarb schrieb man nieder: ….welcher sein Leben auf 95 Jahr in dieser Welt brachte“. Im Jahre 1742 beginnt Pfarrer Philipp Heinrich Wagner damit regelmäßig das Alter der Verstorbenen einzutragen. Das Dorf erholte sich zunächst nur langsam von den Auswirkungen des 30 jährigen Krieges. Dabei war auch die Sterbensrate bei Kindern aufgrund der Lebensverhältnisse sehr hoch. Beispielsweise fanden in den Jahren 1701 bis 1705 ca. 12 Beerdigungen statt, darunter waren 5 Kinder.

Trauermarsch auf dem „stillen Weg“ durch Dirmingen

Das Dorf wuchs ständig an und schon im Jahre 1751 bis 1755 fanden 48 Beerdigungen, davon 25 Kinder und 3 Jugendliche statt .Die hohe Sterbensrate bei Kindern und Jugendlichen hält sich bis ins 19 Jahrhundert. In den Jahre 1851 bis 1855 wurden 146 Beerdigungen durchgeführt, darunter waren 64 Kinder und 5 Jugendliche. Die Sterblichkeit im ersten Lebensjahr bezeichnete man als Säuglingssterblichkeit. Die Hauptursache für diese Kindersterblichkeit lag an der Mangelernährung und an den hygienischen Umständen. Im Jahre 1870 starben in Deutschland fast 250 von 1000 Kindern. Die häufigste Todesursache war dabei Durchfall, wobei vor allem Kinder gefährdet waren, die nicht gestillt wurden. Ärmere Gesellschaftsschichten hatten dabei eine höhere Sterblichkeit als reiche die wohlhabende Bevölkerung.

Das Durchschnittsalter bei Beerdigung lag in den Jahren von 1751 bis 1755 bei 26 Jahren und war ebenfalls den schlechten Lebensbedingungen geschuldete. Beerdigt wurde auf dem Kirchhof zu Dirmingen, der jahrhundertelang wirklich als Kirchhof gepflegt wurde und rund um die Kirche lag. Auch die evangelischen Christen von Berschweiler wurden dort beerdigt. Der Kirchhof war Eigentum der Evangelischen Kirchengemeinde. Dirmingen. Die katholischen Mitbürger wurden zu dieser Zeit in Urexweiler beerdigt. Im Jahre 1900 erbaute die Gemeinde Dirmingen einen kommunalen Friedhof am Ortsausgang zwischen Dirmingen und Eppelborn. In Berschweiler wurde ebenfalls ein kommunaler Friedhof auf dem Kappelberg errichtet. Über viele Jahrhunderte spalteten die Beerdigungen in den Dörfern die Kluft zwischen Katholiken und Protestanten. Beide Konfessionen schenkten sich nichts und gingen höchst fragwürdig miteinander um. Der Schlüssel zu Kirchen wurde nicht rausgerückt, Särge versteckt oder auch willkürlich die Beerdigungszeremonie durch Bau- oder Sanierungsarbeiten erschwert. Die Kluft war so groß, dass beispielsweise in Urexweiler ab 1688 insgesamt 53 Jahre lang kein Protestant beerdigt wurde.

Beerdigungsbräuche gab es schon immer: Schon der evangelische Pfarrer Langensiepen vermerkte in seinem Kirchenbuch, dass früher die Toten, ob evangelisch oder katholisch, in einer Reihe bestattet würden, doch die Evangelischen mit den  Füßen nach Osten und die katholischen mit den Füßen nach Westen. Ein Grund dieses Brauchtums könnte darin liegen, dass es Brauch war, dass Gemeindeglieder mit dem Kopf in Richtung Altar der eigenen Kirche gelegt wurden. Leider erschließt es sich mir nicht mehr , wie die Verstorbenen auf dem ehemaligen Kirchhof bestattet waren. Es könnte aufgrund der Überlieferung des Pfarrers Langensiepen jedoch so gewesen sein, dass alle evangelischen Verstorbenen mit dem Kopf in Richtung des Altar lagen. Das ist jedoch nur eine persönliche Anmerkung und keineswegs historisch Belegt. Aus meiner Sicht der Dinge spricht jedoch einiges für diese These.

Verschwunden ist auch der Brauch, dass Schulkinder den Leichenzug begleiten. Auch die Konfirmandenklasse musste eine zeitklang den Leichenzug begleiten. Dabei war es Brauch, dass der Pfarrer oder Lehrer mit der Schulklasse am Haus des Verstorbenen und auf dem Friedhof singen mussten. In Dirmingen schlich sich als erstes der Brauch ein, dass in der Kirche eine Trauerfeier stattfand und anschließend die Beerdigung mit kurzer Andacht auf dem Friedhof, Genau an dieser Stelle wird eine Veränderung unserer Bestattungskultur deutlich. Immer weniger Menschen legten plötzlich wert auf einen Gottesdienst. Mit dem Anstieg von Kirchenaustritten in den letzten Jahrzehnten wuchs der Trend zu kurzen Andachten auf dem Friedhof. Immer öfter wird der Pfarrer durch einen Friedensrichter ersetzt. Die früheren Leichenzüge wurden aufgrund des verstärkten Verkehrsaufkommens auf der heutigen B10 abgeschafft werden. Aus dem sogenannten „stillen Weg“ wurde eine der meistbefahrensten Straßen.

Ein weiterer Brauch war, dass der Sarg von Nachbarn oder Freunden und Bekannten zu Grabe getragen wurde.  Die Sargträger mussten den Leichnam früher vom Sterbensort auf den Leichenwagen und zum Grab tragen. Wenn der Sarg versenkt war, entfernten die Träger die grünen Buchsbaumzweiglein von ihren Rockärmeln und warfen diese auf den Sarg. Früher war die Dorfgemeinschaft für die Beerdigung verantwortlich, heute wird dies von Beerdigungsinstituten übernommen. Guter Brauch war und ist bis heute der Leichenims. Nach der Beerdigung kam früher das ganze Dorf zusammen. Die Angehörigen, die Nachbarn die Freunde und alle die sich mit dem Verstorbenen verbunden fühlten. Dabei sorgte die Nachbarschaft und die Freunde für das leibliche Wohl. Es gab Kaffee und Kuchen oder auch mal ein Glas Bier oder Wein. Der Leichenims verlief immer still und ruhig im Gedenken an den Verstorbenen. Den Ims gibt es noch heute, jedoch werden sie immer seltener. Ein Grund dafür liegt auch im Aussterben der Gastronomie. Wo soll man heute noch einen Leichenims durchführen ?

Unter der Überschrift “ Nicht Ende, sondern Anfang“ berichtete die Saarbrücker Zeitung von der am 12. November 1972 eingeweihten neuen Friedhofshalle. Die damalige Gemeinde Dirmingen musste sich zuvor auf einen langen und teilweise schwierigen Weg begeben. Die Finanzierung sowie die Planung und auch die Bestimmung des Standortes verlangten dem damaligen Gemeinderat einiges ab. Heute wird die Einsegnungshalle, die von ca. 100 Trauergästen benutzt werden kann, immer seltener benutzt. Der Trend geht zu kurzen Beerdigungen die unmittelbar am Grab stattfinden. Die Hygienerichtlinien, die aufgrund der Pandemie beschlossen wurden, haben diese Vorgehenswiese eigentlich noch beschleunigt. Interessant ist die Tatsache, dass der damalige Dirminger Gemeinderat bereits im Jahre 1972 einen Glockenturm anbringen wollte. Die Umsetzung dieses Vorhabens scheiterte an den finanziellen Möglichkeiten. Unlängst hat der Dirminger Ortsrat, auf Antrag der CDU Fraktion, erneut die Anbringung eines Glockenturms beantragt. Wahrscheinlich wird es auch diesmal aus finanziellen und auch technischen Gründen schwierig sein dieses Begehren umzusetzen. Mittlerweile wurde jedoch eine Lösung gefunden. Zukünftig soll über eine Audioanlage der Glockenklang erfolgen. Über diese Maßnahme werden sich besonders unserer katholischen Christen freuen. Die Baukosten unserer Einsegnungshalle beliefen damals auf 155 000,- €. Besonders wichtig waren damals die Kühlräume für die Särge. Mit der neuen Bestattungskultur kommen diese Kühlzellen heute immer weniger zur Nutzung. Für eine Urne benötigt man eben keinen Kühlung. Ganz Früher wurden die Toten von ihren Angehörigen in ihren Schlafzimmern oder sogar im Wohnzimmer aufgebahrt. Gerade für Kinder und Jugendliche war diese Tradition nicht immer einfach zu verkraften. Die Toten hat man bis zur Beerdigung mit Eis gekühlt. Gerade an warmen Sommertagen war diese Vorgehensweise jedoch immer mit vielen Problemen behaftet.

Heute gibt es bundesweit 32.000 Friedhöfe mit einer Fläche von rund 35.000 Hektar. Darauf befinden sich rund 40 Millionen Gräber. Dabei werden, egal ob in der Großstadt oder eben auf dem Land, die so genannten Überhangflächen immer größer. Diese Bereiche werden eben nicht mehr für Bestattungen benötigt. Dennoch müssen diese Flächen gepflegt und gemäht werden. Für die Verwaltung bedeutet dies, dass die Unterhaltskosten steigen. Laut Statistik sind zwischen 20 und 70 Prozent der Friedhofsflächen von diesem Problem betroffen.

Wie bereits erwähnt steht das Thema Bestattungskultur auch in unserer Gemeinde Eppelborn ganz oben auf der Agenda. Auf dem Dirminger Friedhof hat es gerade in den letzten Jahren eine deutliche Veränderung gegeben. Der Trend zur Urnenbestattung in der Urnenwand oder im Boden hat Hochkonjunktur. Auch auf die Tatsache, dass immer weniger Menschen vor der Beisetzung des geliebten Menschen auf einen Gottesdienst verzichten, wurden Antworten gefunden. Die Bestatter haben sich längst auf diese Entwicklung eingestellt. Auch der Ortsrat hat auf diese Entwicklung reagiert und mit guten Entscheidungen eine Antwort gegeben. Wie bereits erwähnt, wird die Beschallungsanlage der Einsegnungshalle überarbeitet und mit einem Audio-Glockenklang versehen. Diese Maßnahme lag besonders der CDU-Fraktion am Herzen und wurde Einstimmig im Ortsrat verabschiedet. Während die katholische Kirche immer mehr auf Gottesdienste vor der Beisetzung verzichtet und sich verstärkt auf die Zeremonie auf dem Friedhof konzentriert, macht diese Anschaffung durchaus Sinne. Die Evangelische Kirche hingegen bietet weiterhin die Möglichkeit eines Gottesdienstes an. Nach der Pandemie soll die Einsegnungshalle wieder verstärkt genutzt werden. Grund genug diese Halle aufzuwerten. Die Toilettenanlage wurde unlängst saniert und eine Wärme-Vorrichtung für den Halleninnenraum ist fest eingeplant.

Wenn ein Mensch stirbt, muss er laut unserem Gesetz auf einem Friedhof oder einem ausgewiesenen Bestattungswald beerdigt werden. Wie lange hält dieses Gesetz noch ? In osteuropäischen Ländern und auch in der USA nehmen die Angehörigen die Urne des Verstorbenen mit Nachhause um diese dort aufzubewahren. Ich persönlich habe mich mit dieser Möglichkeit noch nicht angefreundet, wer weiß ich ich in einigen Jahren darüber denken werde. Die Baumbestattung hat durchaus ihren Scham und wird wohl zu den Alternativen der Zukunft gehören. Manchmal ist es gut sich von alten Bräuchen zu verabschieden. Politik und Kirche sind gut beraten sich auf die Entwicklung einzustellen und Lösungen anzubieten. Letztendlich sollte man den Menschen den Abschied von einem geliebten Menschen so einfach und angenehm wie möglich machen.

Alles im Leben verändert sich, auch unsere Bestattungskultur ! Wer weiß, ob dass, was wir heute entscheiden in einigen Jahren nicht Schnee von Gestern ist. Wichtig ist, dass wir die Zeichen der Zeit erkennen. Ich wünsche mir, dass sich Kirche und Politik sich noch mehr mit den Änderungen unserer Bestattungskultur beschäftigen. Dabei muss es erlaubt sein, laut nachzudenken. Eine Baumbestattung wäre noch vor 30 Jahren unvorstellbar gewesen. Veränderungen sind gut, richtig und wichtig. Veränderungen geben unserem Leben neue Impulse. Wenn man sich unsere Friedhöfe so anschaut, kommt man schnell zu dem Entschluss, dass etwas verändert und passieren muss.

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